Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
so herzbrechend war ihre Stimme. Sie blutete im Gesicht; auch ihre Kleidung hatte unter den erhaltenen Stößen, Tritten und Verletzungen gelitten.
    „Steigen Sie nur erst aus, Señora!“ sagte ich. „Ihr Hut wird dann auch gewiß gerettet werden.“
    „O, Señor, er ist ganz neu, die allerneueste Pariser Façon! Ich habe ihn erst gestern in Montevideo gekauft!“
    „Bitte, retten Sie sich nur selbst erst! Ich werde Ihnen helfen, wenn Sie es mir erlauben.“
    Ich stieg auf den alten Kasten, faßte sie um die Taille und hob sie heraus und herab. Sie war noch länger als ich selbst. Kaum hatte sie den Boden berührt, so beugte sie sich über die Öffnung des Kutschenschlages und langte in dieselbe hinein. Sie brachte einen formlosen Gegenstand heraus, den sie einen Augenblick lang vor sich hinhielt, um ihn zu betrachten, dann aber vor Entsetzen fallen ließ.
    „O, welch ein Schmerz, welch ein Unglück!“ rief sie aus, indem sie die Hände zusammenschlug. „Die Hutschachtel ist ganz zusammengetreten; wie mag da erst der Hut aussehen!“
    Sie befand sich in der größten Aufregung. Die Sorge um den kostbaren Schmuck ihres Hauptes war noch größer als diejenige um sich selbst. Aber ihre Klagen waren nicht die einzigen, welche man hörte. Wer einen Mund hatte, ließ seine Stimme vernehmen. Die einen untersuchten fluchend ihre Gliedmaßen; die andern schimpften aus Leibeskräften auf den Mayoral und die Peons ein; die letzteren wieder zankten untereinander, da ein jeder dem andern die Schuld des Unglückes beimaß. Die Passagiere drohten mit Beschwerde und Klage auf Schadenersatz und Erstattung der Kurkosten. Die Lenker des Wagens und der Rosse verteidigten sich mit der Behauptung, die Passagiere hätten die Pferde durch ihr grundloses und unnützes Geschrei erschreckt und wild gemacht. So wurden die Vorwürfe hin- und zurückgeworfen, und es wäre wohl gar eine tüchtige Prügelei entstanden, wenn die Yerbateros sich nicht Mühe gegeben hätten, die streitenden Parteien zu trennen.
    Sich zunächst um die Hauptsache, nämlich den Wagen zu bekümmern, war noch keinem eingefallen. Ich untersuchte ihn und fand, daß die beiden rechtsseitigen Räder, auf denen die Kutsche jetzt lag, zerbrochen waren, das eine geradezu in Stücke.
    Als ich das mitteilte, erhob sich der eben erst gestillte Lärm von neuem, denn der Mayoral erklärte, daß zunächst an eine Fortsetzung der Fahrt nicht zu denken sei. Er wolle versuchen, die Räderstücke durch Lassos zusammenzubinden. Das werde, selbst wenn es gelinge, lange Zeit in Anspruch nehmen, und dann könne man nur im Schritt weiter fahren.
    Als die Dame, welche noch immer neben ihrem an der Erde liegenden Hutfutteral stand, dies vernahm, schrie sie:
    „Welch ein Unglück! Welch ein Elend! Stundenlang warten! Und dann im Schritt fahren! Das darf ich nicht zugeben!“
    Sie trat zum Mayoral, nahm eine sehr kampfesmutige Haltung an und schrie ihm in das vor Verlegenheit hochrote Gesicht:
    „Señor, behaupten Sie wirklich, daß wir nicht sofort aufbrechen können?“
    „Das ist leider hier nicht zu ändern. Wir müssen versuchen, uns so leidlich wie möglich bis nach San Lucia zu schleppen. Vielleicht finden wir dort ein Fahrzeug.“
    „Vielleicht finden wir, vielleicht! Señor, auf Ihr Vielleicht kann ich mich nicht einlassen! Ich befehle Ihnen strengstens, ganz gewiß eine Kutsche zu finden und jetzt sofort aufzubrechen!“
    „Das ist unmöglich. Sie werden das einsehen!“
    „Nichts sehe ich ein, ganz und gar nichts! Ich erkenne keine Unmöglichkeit an! Was ich verlange und wir alle verlangen, muß möglich gemacht werden. Wissen Sie, wer ich bin, Señor?“
    „Ich schmeichle mir, Sie allerdings oft gesehen zu haben, kann aber Ihre Frage nicht beantworten.“
    „Ich bin die Schwester des Bürgermeisters von San José, heiße Señora Rixio und bin die Gattin des Kauf- und Handelsmannes gleichen Namens. Wissen Sie es nun?“
    Er bejahte durch eine stumme Verneigung.
    „Und“, fuhr sie fort, „ich muß unbedingt auf das schnellste nach Hause. Ich habe heute abend eine Gesellschaft, eine großartige Tertulia, zu welcher die Vornehmsten der Stadt geladen sind. Ich kann meinen Pflichten nicht entsagen und die Gäste auf mich warten lassen. Ich bin die Leiterin, die Königin des gesellschaftlichen Lebens und darf mir nicht die Blöße geben, bei einer Tertulia zu fehlen, zu welcher ich selbst die Einladung erlassen habe. Sie haben alle Rücksicht auf diese meine Stellung zu

Weitere Kostenlose Bücher