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34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata

Titel: 34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nehmen und augenblicklich aufzubrechen!“
    Die ‚Königin des gesellschaftlichen Lebens‘ sagte das in einem Ton, welcher unter anderen Verhältnissen geeignet gewesen wäre, jeden Versuch eines Widerspruchs abzuschneiden. Die andern Passagiere, von denen glücklicherweise keiner eine wirkliche Verletzung davongetragen hatte, standen still umher. Sie sahen ein, daß es für sie am allerbesten sei, zu schweigen, da die energische Dame ihre Angelegenheit nach besten Kräften führen werde. Der Mayoral aber deutete kopfschüttelnd auf den Wagen und blieb bei seiner Behauptung:
    „Es ist wirklich ganz unmöglich, Ihrem Wunsch nachzukommen. Sie müssen sich ebenso wie wir alle in die Notwendigkeit fügen!“
    „Das fällt mir nicht im Schlaf ein! Ich bin wegen meiner Tertulia nach Montevideo gefahren, um mir einen Hut nach dem neuesten Pariser Muster zu holen. Den Hut habe ich und nun muß ich unbedingt heim, um ihn – O Himmel!“ unterbrauch sie sich. „Dort liegt er an der Erde! Wie wird er aussehen! In welchem Zustand mag er sich befinden! Ihre Diligence geht mich nichts an; sie möchte immerhin zerschellt und zerbrochen sein; aber mein Hut, mein Hut! Welch ein schweres Geld habe ich zahlen müssen; nun ist er verschimpfiert, und ich soll außerdem zu spät zur Tertulia kommen! Ich glaube, ich falle in Ohnmacht, wenn ich die Schachtel öffne!“
    Sie eilte zu der Stelle zurück, an welcher der Hut lag, und ich hob denselben auf, um ihn ihr hinzureichen. Kein Maler hätte es vermocht, das Gesicht wiederzugeben, welches sie machte, als sie die zusammengequetschte Form nun näher betrachtete, als es vorhin der Fall gewesen war. Nie wieder habe ich bei einer Dame ein so deutlich ausgesprochenes Herzeleid gesehen, auf einen erhofften Vorzug verzichten zu müssen. Die Klagen, welche sie ausstieß, hätten eigentlich Lachen erregen müssen, erweckten aber meine Teilnahme. Sie bemühte sich vergeblich, die verbogene Schachtel zu öffnen. Endlich warf sie dieselbe zur Erde und rief im höchsten Zorn:
    „Ich kann nicht einmal zu dem Hut! Man hat mir auf denselben getreten. Das herrliche Frühjahrsmodell ist mir verdorben. Wer kann es mir ersetzen, und wer wird mich überhaupt entschädigen, wenn ich meine Tertulia versäume! Ich werde es meinem Bruder sagen, die ganze Gesellschaft einzusperren!“
    Ich hob die weggeworfene Schachtel wieder auf, betrachtete sie und sagte in tröstendem Ton:
    „Vielleicht läßt sich der Schaden wieder heilen, Señora!“
    „Das ist unmöglich! Sie sehen ja, wie zusammengedrückt das Ding ist! Man kann es ja nicht einmal öffnen!“
    „Darf ich es versuchen?“
    „Bitte, bitte haben Sie die Güte! Vielleicht gelingt es Ihnen besser als mir.“
    Es gelang mir allerdings besser, aber erst nach längerem Bemühen. Ich bog zunächst die Knillen der Schachtel aus und zog sodann das ‚Frühjahrsmodell‘ aus derselben. O weh! Wie sah der Hut aus! Er war von sehr hoher Façon gewesen, jetzt aber ganz und gar zusammengedrückt. Die Señora schlug die Hände über dem Kopf zusammen und schrie:
    „Entsetzlich! Dieses Meisterstück ist mir für alle Zeit verdorben! Sieht es nicht wie die reinen Eierkuchen aus? Ich zittere vor Entsetzen! Der Schreck kann mich töten! So ein Unglück wurde noch niemals erlebt, von keinem Menschen!“
    Ich untersuchte den Hut. Er bestand aus einer Façon aus dünnstem Draht, welcher mit einem spinnwebfeinen Zeug überzogen war. Der daraufliegende Grund war von schwarzem, dünnem Schleierstoff, und der Ausputz bestand in einer seidenen Bandschleife, zwei aufgepufft gewesenen Rosetten und einer weißen Straußenfeder. Diese Teile befanden sich freilich in einem sehr tristen Zustand. Das Gesicht der Dame aber sah noch weit trauriger aus.
    „Beruhigen Sie sich, Señora!“ tröstete ich sie. „Vielleicht läßt sich diese Ruine wieder herstellen. Die Façon wird sich wohl ausbiegen lassen, und die Feder kann wieder gerade gerichtet und gekräuselt werden.“
    „Meinen Sie?“ fragte sie in hoffnungsvollerem Ton.
    „Ja, gewiß. Die Schleife muß freilich abgenommen und von neuem gesteift werden, was mit Hilfe von Weizenkleie und einem Plätteisen sehr gut möglich ist, und den Rosetten kann man wohl ihr früheres Aussehen auch wieder geben.“
    Sie sah mich mit großen Augen an.
    „Verstehen Sie denn etwas von solchen Dingen, Señor?“ fragte sie. „So sind Sie wohl zufälligerweise ein Modesto?“
    „Das nicht, Señora“, lächelte ich, da mein Aussehen

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