34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
wohlschmeckend; eine Tortilla aus Straußeneiern wird selbst ein Feinschmecker nicht verschmähen. Man behauptet freilich anderwärts, Kiebitz- und Fasaneneier sollen zarter sein. Ich bestreite es nicht.
Die Sonne senkte sich gegen den Horizont, als wir an einer weidenden Rinderherde vorüber kamen. Monteso deutete auf die eingebrannten Zeichen und sagte:
„Das ist das Zeichen meines Verwandten. Wir befinden uns auf seinem Gebiet.“
Der Mann mußte ungeheuer reich sein, denn wir ritten an noch andern Herden Rindern, Pferden, Schafen vorüber, und alle diese Tausende von Tieren trugen dasselbe Zeichen. Agavezäune, welche mir meilenlang vorkamen, trennten die einzelnen Herden und Weideplätze voneinander. Gauchos jagten auf sehr schnellen Pferden über diese Flächen, um die Tiere zusammenzuhalten oder kämpfende Stiere auseinanderzutreiben.
Dann sahen wir Baumwipfel sich im Norden erheben. Weiße Mauern schimmerten uns einladend entgegen. Wir hatten die Estancia vor uns, welche im Schatten hoher Pappeln, Eichen und Trauerweiden stand. Besonders waren die letzteren von einer Größe und Schönheit, wie man sie in Deutschland gewiß nicht zu sehen bekommt. Ein Landschaftsmaler wäre entzückt gewesen über jeden einzelnen dieser Bäume.
Die Estancia bestand aus mehreren Gebäuden, welche ein schloßähnliches Ganzes bildeten. Zunächst ritten wir in einen großen Hof, welcher von drei Seiten von einer hohen Mauer eingefaßt war. In der vorderen Mauer befand sich das Tor. Die vierte Seite des Hofes wurde von einem langen, zweistöckigen Gebäude begrenzt. Das war das Herrenhaus.
Der Hof war, hierzulande eine Seltenheit, sehr reinlich gehalten. Mehrere schwere Ochsenkarren standen da, einige Füllen jagten spielend umher. Knechte waren mit allerlei Arbeiten beschäftigt. Wir ritten quer über den Hof nach der Eingangstür des Hauses.
Die Knechte sahen uns, stutzten und kamen dann eiligst herbei, um uns zu begrüßen. Das geschah mit einer Höflichkeit, über welche ich mich verwundern mußte. Sie verneigten sich fast ehrfurchtsvoll vor Monteso, welcher barfüßig und zerlumpt vor ihnen stand und sich erkundigte:
„Ist der Señor daheim?“
„Nein“, antwortete einer. „Er ist nach Fray Bentos, wegen der letzten Herde, welche wir dorthin geliefert haben.“
„Und die Señora?“
„Ist daheim mit der Señorita.“
„Melde mich!“
Der Peon ging in das Haus. Monteso befahl den andern:
„Unsre Pferde laßt frei; diesen Braunen aber übergebe ich eurer besonderen Obhut. Laßt es ihm an nichts fehlen!“
Das klang ganz so, als ob er hier zu befehlen habe. Seine Gefährten gingen nach verschiedenen Seiten ab. Mich aber führte er in das Haus und auf eine mit einem breiten Teppichläufer belegte Treppe. Oben öffnete der Peon, welchen er in das Haus geschickt hatte, eine Tür. Wir traten ein und standen vor zwei Damen, welche jedenfalls Mutter und Tochter waren. Er begrüßte beide auf das herzlichste, die Dame mit einem Handkuß und das Mädchen mit einem Kuß auf die Wange, wie es nur unter Verwandten üblich ist, und ich hörte zu meinem Erstaunen, daß die Tochter ihn Oheim nannte. Also war er jedenfalls der Bruder des Besitzers dieser Estancia, welche eine der reichsten des Landes sein mußte.
Er stellte mich vor, und ich wurde mit ausgezeichneter Freundlichkeit begrüßt und von Herzen willkommen geheißen. Dann führte er mich nach dem Zimmer, welches ich bewohnen sollte. Wie war ich erstaunt, ein Logis zu sehen, welches aus Vor-, Wohn-, Schlafzimmer und Badestube bestand. Die Ausstattung war so geschmackvoll, daß ein Graf nichts an derselben auszusetzen gehabt haben würde. Er lächelte mich vergnügt an, als er meine Überraschung bemerkte.
„Gefällt es Ihnen hier, Señor?“ fragte er.
„Welch eine Frage! Sie haben mich da in ein Schloß, in ein wirkliches Palais gebracht!“
„Palais? Nein. Sie befinden sich in der einfachen Estancia del Yerbatero.“
„Die Estancia des Teesammlers! Señor, da steigen gewisse Vermutungen in mir auf, welche –“
„Welche vielleicht das Richtige treffen“, fiel er ein. „Ich war, ebenso wie mein Bruder, ein armer Teesucher. Wir waren ehrlich, fleißig und sparsam. Wir hatten Glück und mein Bruder heiratete ein reiches Mädchen. Wir kauften diese Estancia. Er bewirtschaftete sie, und ich bin sein Kompagnon. Durch den Einfluß seiner Frau ist er ein feiner Caballero geworden, ich aber liebe die Wildnis, die Pampa, den Camp, den Urwald und bin
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