34 - Sendador 01 - Am Rio de la Plata
Kommissar.
„Das ist unmöglich. Eine Anklage kann nicht von einem einzelnen Menschen, sondern sie muß von einem Gericht erhoben werden. Der Mann, den Sie meinen, könnte höchstens als Zeuge auftreten.“
„Das tut er auch. Das Gericht aber sind wir, nämlich das Militärgericht.“
„Selbst wenn ich Sie als Militärrichter anerkennen wollte, würden Sie in dem vorliegenden Fall nicht kompetent sein. Ich bin ein Fremder, aber dennoch weiß ich, daß das Verbrechen des Aufruhrs und des Landesverrates von den Geschworenen und in höherer Instanz von dem Appellationsgericht abzuurteilen ist.“
„Nach Ihrer Anerkennung haben wir nicht zu fragen!“
„O doch! Selbst ein Verbrecher hat seine unantastbaren Rechte, und als einen Verbrecher darf man nur dann einen Menschen bezeichnen, wenn er überführt worden ist.“
„Wir werden Sie überführen!“
„Das bezweifle ich. Hätte ich Waffen bei mir, so würde ich überhaupt gar nicht mit Ihnen sprechen, wenigstens nicht durch Worte, sondern mit Kugeln.“
Mit diesen Worten verfolgte ich eine bestimmte Absicht. Die Kerle sollten gar nicht auf den Gedanken kommen, mich nach Waffen zu durchsuchen. Ich begann zu ahnen, daß es zum Kampf kommen werde. Über fünfzig Mann gegen nur zwei? War es nicht Wahnsinn oder Lächerlichkeit, da an Kampf zu denken? Nun, man sieht eben, wie es geht. Ein wenig List ist unter Umständen von besserer Wirkung, als eine Armstrongrevolverkanone. Die Señores, wenn es überhaupt welche waren, machten auf mich nicht den Eindruck, als ob sie nicht zu überlisten seien. Mit Gewalt war nichts zu erreichen, wenigstens nicht mit Gewalt allein. Ich tat also, als ob ich mich ganz wehrlos befände.
„Ja, Gewehre haben Sie nicht!“ meinte er befriedigt. „Und Ihre Messer werden sie jetzt ablegen.“
„Das tue ich nicht! Sie haben kein Recht, sie mir abzufordern.“
„Was Sie bestreiten oder nicht, das ist uns sehr gleichgültig. Was wir einmal entschlossen sind, zu tun, das werden wir auch tun, ohne zu fragen, ob es Ihnen gefällt. Nehmt ihnen die Messer ab!“
Diesem Befehle kamen einige Soldaten nach, welche zu uns traten und die Hände nach uns ausstreckten. Monteso weigerte sich, sein Messer herzugeben. Sie hielten ihn fest und nahmen es ihm mit Gewalt. Ich gab ihnen meine beiden, ohne es zu einer Gewalttätigkeit kommen zu lassen. Der Major steckte die drei Messer in seinen Gürtel, als ob sie jetzt sein Eigentum geworden seien. Dann sagte er:
„Ich werde das Verhör beginnen und hoffe, daß ihr mir brav antworten werdet. Ihr steht beide am Rand des Grabes und werdet wohl nicht so unverständig sein, euch den Tod zu erschweren. Zunächst mag der Zeuge beginnen. Wessen beschuldigen Sie diese beiden Leute, Señor Carrera?“
„Des Mordversuches, der Körperverletzung, des Aufruhres und der Verschwörung.“
„Haben Sie hierfür Beweise?“
„Ja, Beweise, denen gar nicht widersprochen werden kann.“
„So steht es schlecht um die Gefangenen. Also zunächst den Mordversuch. Wo ist das geschehen?“
„In Montevideo, vor drei Tagen.“
„Wer sollte ermordet werden?“
„Ein Vetter von mir. Er wurde von diesem Deutschen des Abends an dem Haus des Organisten überfallen.“
„Aber nicht getötet?“
„Nein. Es gelang ihm glücklicherweise, zu entkommen. Dann aber kamen die beiden Angeklagten ihm bis in seine Wohnung nach, welche er bei einem seiner Freunde hatte. Dort haben sie ihn überfallen, festgebunden und so geschlagen, daß er halb tot war, als sie ihn verließen.“
„Gibt es dafür Zeugen?“
„Ja. Ich kann ihre Namen nennen, sie wohnen aber in Montevideo.“
„Das schadet nichts. Wir brauchen sie nicht, denn wir haben keine Zeit, diese Leute von so weit herzuholen. Wir werden die Angeklagten auch ohne diese Zeugen überführen. Übrigens bin ich überzeugt, daß Sie die volle Wahrheit gesagt haben, Señor Carrera, denn man sieht es den beiden sofort an, wes Geistes Kinder sie sind. – Was haben denn nun Sie zu der Anklage zu sagen?“
Diese Frage war an uns gerichtet. Ich fühlte mich nicht im mindesten aufgeregt, denn seit ich den Kommissar gesehen hatte, wußte ich, daß man uns mit Lügen bedienen werde. Darum konnte seine Aussage mich ganz und gar nicht befremden. Monteso aber war nicht so ruhig. Es wäre ihm, der Südländer war, ganz unmöglich gewesen, so kaltblütig zu sein, wie ich es war. Er trat einige schnelle Schritte auf den Major zu und antwortete:
„Was wir sagen? Lüge, nichts als
Weitere Kostenlose Bücher