34° Ost
hatte.
»Mr. Beal, ich werde Ihnen nun streng geheime Informationen geben«, sagte General Rivera. »Habe ich Ihr Ehrenwort, dass Sie bis zur Klärung der Situation absolutes Stillschweigen bewahren werden?«
Solche Sicherheitsklauseln waren Beal nichts Neues. Er galt allgemein als Freund der hohen Militärs, und die Spitzen der Streitkräfte brachten ihm persönlich weit mehr Vertrauen entgegen als jedem anderen Mitglied seiner Partei.
»Sie können auf meine Diskretion rechnen, General.« Er fühlte wieder festen Boden unter den Füßen. Hier ging es um politische Fragen. Aber auf den Schock, den ihm Rivera mit seinen nüchternen, sachlichen Eröffnungen nun bereiten sollte, war er nicht gefaßt.
»Um etwa 14.15 Uhr Greenwich-Zeit erreichte Vizepräsident Bailey auf dem Weg zu seinem mit dem sowjetischen Stellvertretenden Ministerpräsidenten Rostow vereinbarten Treffen bei 34° Ost das Territorium der entmilitarisierten Zone. Ungefähr um 16.30 Uhr Greenwich-Zeit wurde eine Olympus-Meldung über den Unfall der Air Force One an seinen Konvoi durchgegeben.« Das Gesicht des Generals verriet keinerlei Gemütsbewegung. Die dunklen Augen blickten Beal unverwandt an.
»Aber es erfolgte keine Antwort auf diese Meldung«, sagte Rivera. Beal fühlte, wie sein Herz zu flattern begann. Er hatte die schreckliche Vorahnung, dass er bereits wußte, was ihm der General mitteilen wollte und warum er so plötzlich unter strenger Bewachung in den War Room geholt worden war.
»Als die Kontrollstation Echo Sierra in Es Schu'uts keine Bestätigung empfing, versuchte General Tate die Eskorte des Vizepräsidenten auf dem normalen Funkweg und im Klartext zu erreichen. Auch darauf kam keine Antwort.«
Beals Mund wurde trocken. Eine eiserne Klammer schloß sich um seinen Magen.
»Um 18.50 Uhr Greenwich-Zeit – auf der Sinai-Halbinsel 20.50 Uhr – ordnete General Tate Suchflüge über der Fahrtroute des Vizepräsidenten an. Damit verletzte er übrigens die Bestimmungen des Zypernabkommens, und General Gunderssen vom schwedischen Kontingent der Friedenstruppe hat bereits bei der UNO Protest eingelegt. Diesem Protest schlossen sich die Ägypter, Syrer, Libyer und Iraker an. Nicht aber die Sowjets …«
Beals nervöse Spannung schlug in helle Empörung gegen die aufgeblasenen, querulierenden, einsichtslosen Schweden und Araber um. »Zum Teufel mit dem Pack – und mit der UNO auch! Was hätte Tate denn sonst tun sollen …« Er brach ab, als ihm die wichtigste Tatsache klar wurde: Talcott Bailey befand sich also nicht an Bord eines Jet auf dem schnellsten Weg zurück in die USA.
Mit steinerner Miene sagte Rivera: »Ich fasse mich kurz, Mr. Beal. Um 21.00 Uhr Greenwich-Zeit, vor kurzem also, registrierte der Pilot eines Shrike-Abfangjägers des amerikanischen Kontingents Hitzeeinwirkung auf seinen Infrarotsensoren und führte daraufhin eine Erkundung durch. Dabei leuchtete er die Quelle der Strahlung mit Fallschirmlampen aus. Der Pilot meldete, er kreise über der Kolonne des Vizepräsidenten – besser gesagt, über deren Resten. Alle Anzeichen deuten auf ein Feuergefecht hin. Im Gelände liegen Tote und Fahrzeugwracks – daher die Hitzeentwicklung, die die Aufmerksamkeit des Fliegers erregt hatte. Wir müssen damit rechnen, dass der Vizepräsident überfallen und möglicherweise ermordet wurde. Es wurden keine Überlebenden gesichtet.«
Obwohl Beal rein intuitiv etwas Ähnliches erwartet hatte, fiel es ihm schwer, diese Fakten in ihrer ganzen Tragweite zu ermessen. So rasch nach der Schreckensnachricht vom Tod des Präsidenten bewirkte diese Information nur eine dumpfe Benommenheit. Aber Rivera hatte noch etwas zu sagen. Beal fand die kühle Selbstbeherrschung des Mannes erstaunlich.
»Das ist nicht alles. Wir haben Beweise dafür, dass die Sowjetregierung wußte, dass eine arabische Terroristengruppe, die sich als Abu-Mussa-Kommando bezeichnet, sich vor zwei Tagen im südlichen Teil der Sinai-Halbinsel befand. Admiral Ainsworth hat den Verdacht, dass die Sowjets an dem Attentat auf den Vizepräsidenten zumindest als Anstifter beteiligt sind. Daraus folgert die Möglichkeit – ich kann sogar sagen, die Wahrscheinlichkeit –, dass das KGB bei den Ereignissen in Palm Springs die Hand im Spiel hatte.«
Beal fühlte sich krank. Ihm war übel – vor Angst oder vor Zorn? –, und seine Hände zitterten.
»Mr. Beal, kennen Sie das Szenarium für den ›Fall Leerlauf‹?«
Beal nickte. »Ein Psychologe der Universität
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