34° Ost
Außenministers verfolgte. Der amtierende Präsident drehte den Ton etwas zurück und blickte ängstlich auf. »Stuart, soeben teilte Shackleford mit, dass Helen Risor bei Bewußtsein und vernehmungsfähig ist. Vor dem Absturz gab es keine Explosion im Flugzeug des Präsidenten. Und General Martys Obduktionsbefund von Colonel Daytons Leiche deutet darauf hin, dass der Pilot einen tödlichen Anfall erlitt, irgend etwas mit den Arterien …«
Der Admiral schien ihn nicht gehört zu haben. Seine Züge waren gesammelt, fast friedlich, das Gesicht eines Mannes, der sich zur Entscheidung durchgerungen hat. Fowler Beal fühlte, wie er selbst unaufhaltsam in den Alptraum hineinglitt, als Stuart Ainsworth mit fester Stimme sagte: »Mr. President, es ist Zeit, die Nuklearkodes zu öffnen.«
»… die Ironie der Situation, Richter«, sagte Talcott Bailey. »Ich hoffe, Sie haben Sinn dafür.«
»Man behauptete von mir, dass ich im Kongress sogar viel zu ironisch war. Aber während der letzten Stunden ist mir der Geschmack daran ziemlich vergangen«, erwiderte Seidel mit bedrückter Stimme.
Ein flüchtiges Lächeln erhellte Baileys schmales, asketisches Gesicht. »Durch die Politik sitzen die unterschiedlichsten Leute im selben Boot – es kann auch vorkommen, dass sie dann in derselben Zelle sitzen.«
Colonel Seidel wischte die Hände in dem vergeblichen Versuch, sie zu säubern, am Stoff seines neuen, aber arg verschmutzten Tarnanzugs ab. Halb unbewußt registrierte er eine neue Erfahrung: Gefangenschaft war eine schmutzige Sache, nicht nur im übertragenen Sinn.
»Kommt es Ihnen nicht als Ironie des Schicksals vor, dass der Amtsnachfolger des Präsidenten und jener Mann, den sich der Verunglückte eigentlich als Nachfolger wünschte, hier beisammensitzen, während jemand ganz anderer die Führungsmacht ausübt?«
»Seit wann wissen Sie, welche Pläne der Präsident hatte?«
»Ich glaube, länger als Sie selbst. Es gab Gerüchte …«
»Ach, ich kenne dieses Washingtoner Geschwätz.«
»Man sprach davon, dass der Präsident schwer krank sei und nicht nochmals kandidieren werde.« Mit einiger Überwindung fügte Bailey hinzu: »Mir war von Anfang an klar, dass er mich nicht gern im Weißen Haus gesehen hätte.«
»Das ist nun eine rein akademische Frage«, sagte Colonel Seidel. »Ob die Wähler für Sie oder für den Präsidenten gestimmt haben – jetzt kriegen sie jedenfalls Fowler Beal, einen Pudding in Menschengestalt.«
»Fowler Beal – und die Soldaten«, ergänzte der Vizepräsident.
»Ihr altes Lieblingsthema, Bailey. Die amerikanischen Soldaten sind schon in Ordnung, sie müssen nur entsprechend geführt werden. So war es mit den Amerikanern immer.«
»Ich wollte damit nicht die Truppe selbst kritisieren. Es sind die Generale und Admiräle, die mir Angst machen.«
»Man muß auch die Generale entsprechend führen. Die meisten von ihnen sind rechtschaffene Menschen, aber sie müssen an etwas glauben können, sonst gehen sie in die Irre. Man kann nicht von ihnen verlangen, dass sie sich zu Maximen bekennen, die sich, wie die Erfahrung sie lehrte, als falsch erwiesen. So macht man sie nur fertig.«
»Wollen Sie damit sagen, dass ich unseren arroganten Bill Tate fertiggemacht habe?«
»Ziemlich sicher. Und uns übrige obendrein. Nein, Bailey, das war nicht der richtige Zeitpunkt, den publikumswirksamen Antimilitaristen zu spielen.«
Talcott Bailey hatte genug Anstand, diesen Vorwurf schweigend einzustecken. Er dachte an Colonel Crowell, der bei dem Überfall so sinnlos gestorben war. Die Schatten der anderen Toten – all der Soldaten und Zivilisten – würden ihn für den Rest seines Lebens heimsuchen. Aber Ben Crowell hatte er gemocht – soweit es ihm möglich war zu vergessen, dass Crowell Soldat war. »Was wird Ihrer Meinung nach nun geschehen, Richter Seidel?«
»Mit uns?« Seidel machte mit Daumen und Zeigefinger die Geste des Schießens. »Und mit der übrigen Welt?« Er seufzte. »Ich weiß es nicht, aber ich habe ein denkbar schlechtes Gefühl. Fowler Beal ist nicht der richtige Mann für das höchste Amt der USA. Sicherlich, er wird sich bemühen, denn mit den Aufgaben wächst jeder Mann. Aber die Bemühungen werden nicht anhalten. Beal hat das Kämpfen schon lange verlernt.«
Horchend hob Bailey den Kopf. Das Rotorengeräusch von Hubschraubern drang sogar bis zu ihnen.
»Hören Sie das?«
Seidel nickte. Er blickte Bailey kühl an und sagte: »Wissen Sie, was uns blüht, wenn die
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