34° Ost
da draußen das Kloster erstürmen?«
»Ich weiß es.«
»Es freut mich«, sagte Seidel, »dass Sie zumindest realistisch denken können.«
24
Krachend sprang die Tür der Zelle auf, in der Deborah Zadok eingeschlossen war. Das Mädchen kam taumelnd auf die Beine; sie zitterte noch immer vor Schock und Erschöpfung. Als sie den Hubschrauber gehört hatte, war eine kleine Hoffnung aufgestiegen, dass doch noch Hilfe kommen würde. Dann sah sie das angespannte Gesicht Leila Jamils, dahinter drei grinsende Guerillas, und sie wußte alles.
»Zuerst bin ich als Freund zu dir gekommen«, sagte Leila mit erstickter Stimme.
»Es tut mir leid«, antwortete Deborah, »aber ich kann keine Frauen lieben. Nicht einmal, um mein Leben zu retten.«
»Dann sollst du eben Männer lieben. Sie gehört euch«, rief Leila ihren Begleitern zu.
Zwei der Guerillas packten Deborah an den Armen und warfen sie rücklings auf den Tisch. Sie wehrte sich in stummer Verbissenheit, obwohl sie wußte, dass es in diesem entweihten Haus Gottes keine Hilfe für sie gab. Der dritte Araber packte ihre Beine und riß sie auseinander. Sie hörte das schwere Atmen und geile Lachen der Männer. O Gott, lass mich jetzt sterben, dachte sie, jetzt, in diesem Moment. Sie fühlte Hände, die ihre Kleider packten, aber der feste Khakistoff gab nicht so leicht nach, und Deborah wand sich mit aller Kraft. Da trat Leila vor und schlug ihr den Lauf des Karabiners gegen die Schläfe, Deborah spürte, wie etwas in ihrem Kopf brach, ihr Körper erschlaffte.
Bebend an die Wand gelehnt, sah die Araberin zu, wie die Guerillas zwischen den Schenkeln der Sterbenden abwechselten. Deborahs Tscherkessenaugen waren von den bärtigen Gesichtern abgewandt und auf Leila gerichtet. Es war ein schreckenerregender Blick – die Pupillen erweitert, dass die blaue Iris fast verschwand; keine Farbe war in diesen Augen, nur schwarze bodenlose Tiefen. Das dunkle Haar, so ähnlich Leilas eigenem, klebte verfilzt an der Stirn. Sie starrte die Einbuchtung an, wo der wuchtige Hieb die dünnen Knochen getroffen hatte. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Warum war sie hergekommen? Sie wollte gegen die Amerikaner kämpfen, den Feind vernichten und dann verschwinden, wie sie es immer getan hatten. Aber alles war schiefgegangen, fast von dem Moment an, als Leč an der Küste zu ihnen gestoßen war. Nun gab er die Befehle, immer gaben im Krieg die Männer die Befehle. Noch nie zuvor hatte Leila Männer eine Frau gebrauchen sehen; es war, als blickte ihr aus den verglasenden Augen des Mädchens ihre eigene geschundene, gedemütigte Weiblichkeit entgegen. Schuldgefühl krampfte ihre Kehle zusammen, sie wußte, dass sie den Anblick des Grauenhaften nicht länger ertragen konnte, sonst würde sie vor Scham über ihre Tat sterben. Sie wandte sich ab und taumelte durch die Tür, an anderen Männern vorbei, die sich dort drängten wie Tiere, angelockt von Blut und Verwesung.
Vor Brechreiz keuchend, schob sie sich in den Gang. Nur halb nahm sie wahr, dass die Männer ringsum ihre Kameraden herbeiriefen. Plötzlich hatte sie Angst vor ihnen.
»Du blödes Aas!« Leč, der in dem engen Gang riesenhaft aussah, verstellte ihr den Weg. Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie, dass ihr Kopf haltlos schwankte. »Was hast du getan?«
»Mach Schluß damit«, flüsterte sie.
»Schluß machen? Glaubst du, ich möchte, dass sie mich umbringen? Lass sie jetzt. Sie werden bald genug haben und wieder auf ihre Posten gehen.« Er schob die Araberin auf Armeslänge zurück und schlug sie ins Gesicht. »Wach auf, du Heldin der Revolution! Komm, verdammt noch mal!«
Sein grobes, schweißnasses Gesicht verschwamm vor ihrem Blick. »Los, hinauf mit dir, sonst bist du als nächste dran. Ich kümmere mich um Bailey und die anderen.« Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. »Glaubst du, die Wüste trocknet einen Mann aus? Glaubst du, sie hat mich eingetrocknet?« Er ließ sie brüsk los und stieß sie zu der Treppe, die auf die Mauer führte. Aus dem Gang unten hörte sie noch immer das Lachen der Männer. Es waren die Laute von Hyänen, die sich um ein verlorenes, hilfloses Tier drängten.
Kapitän Alexander Fjodorowitsch Akimow stand mit seinem Radaroffizier auf der Kommandobrücke des sowjetischen Raketenzerstörers ›Juan Bosch‹ – dem Schwesterschiff der ›Allende‹. Aufmerksam beobachteten die beiden die grünleuchtenden Instrumente des Kontrollpultes. Unter ihren Füßen schütterte
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