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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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Clayborne.
    Ainsworth beugte sich zum Bildschirm und entgegnete, jedes Wort betonend: »Alex, Ihnen als britischem Soldaten brauche ich nur eines zu sagen, und das sage ich Ihnen unmissverständlich: Veranlassen Sie den Start der RAF-V-Bomber und das Auslaufen der Raketen-U-Boote. Ich bin überzeugt, dass die Sowjetunion in knapp sechs Stunden einen Präventivangriff gegen uns durchführen wird. Vielleicht sogar schon früher. Alex, ich respektiere Ihre Haltung: Sie haben Ihre Verantwortung der NATO gegenüber, doch Sie müssen zugleich an Ihr eigenes Land denken. Die Sowjets werden nicht nur die USA angreifen, sondern auch alle anderen westlichen Staaten, die im Besitz von Kernwaffen sind. Es wäre ein gefährlicher Fehler, wenn sie es nicht täten.«
    »Stuart, es fällt mir schwer, zu glauben …«, begann Clayborne.
    »Eben das ist das Übel bei unserer Verteidigungsbereitschaft. Uns allen fällt es schwer, an das Schlimmste zu glauben. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass die USA in gewissem Sinn bereits angegriffen wurden. Das können Sie getrost glauben, Alex. Ich rate Ihnen, sich darauf einzustellen. Wenn es zu einem Konflikt kommt, wird sicherlich auch die NATO davon betroffen werden. Aber außer unserem Land werden auch Großbritannien, Frankreich und China die Hauptziele sein. Setzen Sie daher nach eigenem Ermessen die wirksamsten Abwehrmaßnahmen. Die USA werden sich bis zum Äußersten verteidigen.«
    Claybornes Gesicht schien zu schrumpfen. Binnen Sekunden wirkte er um Jahre gealtert. »Ja, Admiral. Ich werde Ihren Rat befolgen«, sagte er mit unsicherer Stimme.
    »Viel Glück, Alex.« Ainsworth schaltete die Verbindung aus. Sofort blinkten mehrere Signale auf. Der Admiral drückte auf die erste Taste. »Ja?«
    »Der Stützpunkt Elmendorf meldet, dass die Bären-Bomber die Alarmzone erreichen, sie fliegen amerikanischen Luftraum an.«
    »Wenn sie eindringen, abschießen.« Er drückte die zweite Taste. »Ja?«
    »Unser UN-Botschafter ist am Grünen Telefon, Sir. Er möchte den amtierenden Präsidenten sprechen.«
    »Abgelehnt.« Ainsworth drückte die dritte Taste.
    »Hier CNO.«
    »Sprechen Sie.«
    »›Pit‹ meldet, Bandit III befindet sich auf Raketentiefe vor der Mündung des Savannah-Stroms.«
    Der Admiral überlegte nur einen Moment, bevor er sagte: »Versenken.«
    Dann hob er den Hörer eines goldenen Telefons ab. Am anderen Ende der Leitung war die Befehlszentrale der NORAD – des Nordamerikanischen Luftverteidigungskommandos – in den riesigen Bunkern des Cheyenne-Bergmassivs in Colorado. »Welche roten Vögel sind am Himmel?« fragte Ainsworth.
    Die unpersönliche Stimme antwortete mit computerartiger Präzision: »Zwei Kosmos über uns, einen dritten fasst unser AK-Radar um 02 Greenwich auf.«
    »Holt sie herunter. Ende.«
    »Verstanden. Ende.«
    Der Admiral wartete einige Sekunden, ehe er auf der Tastatur des goldenen Telefons einen Kode wählte. Sofort sagte eine Stimme: »Looking Glass.« Im Hintergrund hörte man das gedämpfte Röhren von Düsentriebwerken.
    »General Cheney?«
    »Jawohl, Sir.«
    »In fünfzehn Minuten beginnt Alarmstufe Rot.«
    Eine lange, bedeutungsschwere Pause. Ainsworth konnte sich vorstellen, wie Brigadier Cheney in seiner makellosen blauen Fliegeruniform inmitten von Schaltpulten und Geräten saß, während draußen in 15.000 Meter Höhe die dunkle Nacht vom metallischen Licht der Gestirne erhellt wurde. ›Looking Glass‹ überflog in diesem Augenblick das mittlere Kansas. Unter der einsamen Düsenmaschine und ihren Begleitjägern lag ein unübersehbares Wolkenmeer.
    Cheney sagte: »Jawohl, Sir. In fünfzehn Minuten Alarmstufe Rot. ›Looking Glass‹ ist auf Position.«
    Rivera hatte recht, dachte Ainsworth. An Cheneys militärischer Pflichttreue brauchte niemand zu zweifeln.
    Er stand auf und blickte durch die schrägen Fenster in die ›Pit‹ hinunter. Wir alle tun, was getan werden muß, dachte er. Die Sicherheit der USA liegt bei Männern wie jenen dort an den Geräten und den anderen in Schiffen, in Flugzeugen und auf gefährlichen Außenposten. Sehr bald würde das Los Amerikas in den Händen des Allmächtigen liegen. Der Admiral fühlte einen mystischen Schauer bei der Erkenntnis, wie nahe er in diesem Moment der zürnenden Gottheit seiner kalvinischen Jugend war.
    Er verließ den Raum und ging zur Befehlsstelle des Präsidenten. Als ihn der Militärpolizist passieren ließ, sah er Fowler Beal, der die TV-Kommentare zur Rede des

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