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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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nicht jene, die den südlichen Teil der Halbinsel zeigten. Die Kosmos-Kameras hatten schon einige Tage lang die scheinbar ziellosen Wanderungen einer Beduinengruppe aufgezeichnet, die, von Akaba kommend, nach Süden rund um das Bergmassiv und dann nach Nordwesten, auf den Golf von Suez zu, gezogen war. Da es zehntausend oder mehr Nomaden auf Sinai gab und ihre Bewegungen fast ständig von den hochempfindlichen Kameras der sowjetischen und der amerikanischen Satelliten festgehalten wurden, gab es für Gukowski keinen Grund, gerade dieser Beduinenschar besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Hätte er sich die Mühe gemacht, ihre Bewegungen auf einer Karte einzuzeichnen, würde er bemerkt haben, dass sie jetzt von der Küste weg in genau nordöstlicher Richtung zogen. Er hätte sogar feststellen können, dass ihre Zahl, die auf den ersten Bildern unverändert vierzehn geblieben war, um einen Mann zugenommen hatte. Und schließlich würde eine mikroskopische Untersuchung der feinkörnigen Fotos ergeben haben, dass der Kamelreiter an der Spitze – der, ohne etwas zu ahnen, in dem Augenblick zum Himmel aufgeblickt hatte, als der Kosmos 623 ungesehen über ihn hinwegflog – gar kein Araber war, sondern ein weißer Mann mit buschigem Schnurrbart, dessen Foto die Computer mühelos in den Archiven des GRU und des KGB gefunden hätten.
    Doch die Aufregung über diesen amerikanischen Flieger, der bei seinem Überfall auf die ›Allende‹ in flagranti auf Film festgehalten worden war, hatte zur Folge, dass Oberstleutnant Gukowski etwas weniger sorgfältig und methodisch vorging als sonst. So kam es, dass er im Besitz einer Information war, von der er nichts wußte. Und er ließ zu, dass man sie dem Material beifügte, das Feldwebel Kamenew mit dem Auftrag übergeben wurde, es seinem ›Tschechen‹ zu verkaufen.
    Feldwebel Kamenew führte den Auftrag aus. Er begriff nicht, warum man von ihm verlangte, er müsse den Tschechen geheime Unterlagen liefern. Er hatte sich anfangs glatt geweigert und die Sache seinem Politkommissar gemeldet – wie man das von einem guten Sowjetbürger erwartete. Der KGB-Offizier untersuchte den Fall und versicherte ihm dann, dass kein Komplott vorliege – er gehöre jetzt vielmehr dem geheimen Apparat der Abteilung D an. Ferner, um sich seiner rückhaltlosen Mitarbeit zu versichern, gestattete man ihm, die bescheidenen Summen zu behalten, die die ›Tschechen‹ für das Satellitenmaterial zahlten. Die Preise in Moskau waren hoch, die Löhnung eines Feldwebels klein. Kamenew machte mit.
    Um drei Uhr nachmittags verließ er das Gebäude am Arbatskaja-Platz und traf sich am Jauskij-Boulevard mit seinem ›tschechischen‹ Freund. Hundertfünfzig Rubel und ein Päckchen wechselten ihre Besitzer, und schon waren die Bilder von Kosmos 623 auf dem Weg nach Jerusalem. Oberstleutnant Gukowski hatte den größten Bock seines Lebens geschossen.

6
    Bill Tate erfuhr von Trasks Zusammenstoß mit dem russischen Schiff, als sich sein Hubschrauber dem Landeplatz westlich von Es Schu'uts näherte. Er erhielt die verschlüsselte Nachricht von einem ziemlich erschütterten Funkoffizier im Kontrollraum, wo die Geräte plötzlich knatternd die aufgefangenen russischen Funkgespräche zwischen ›Allende‹ und Alexandrien und zwischen Alexandrien, El Arisch und Moskau ausspuckten. Colonel Trasks ›Untersuchung‹ des sowjetischen Raketenschiffes war der sprichwörtliche Stich ins Wespennest.
    Nur Tate und Jimmy Beaufort, der den Hubschrauber flog, waren an die Funkverbindung angeschlossen. Anspaugh hockte als Bordwart zwischen den Pilotensitzen; Liz Adams und der Richter waren in die Aufzeichnungen vertieft, die Liz bei der Sitzung mit den Russen gemacht hatte, und die Journalisten Crissman und Vano renkten sich an den Fenstern die Hälse aus, um einen Blick auf die Sperrgebiete des Südens zu erhaschen, wo ein Wald von Antennenmasten und Radartürmen aus dem Wüstenplateau aufragte.
    Als Bill Tate die volle Tragweite der Nachricht bewußt wurde, stieg heftiger Zorn in ihm auf. Nach den Radarmeldungen, wie sie der Funkoffizier durchgab, hatte das Schiff die 15-Kilometer-Grenze einmal, möglicherweise zweimal gekreuzt. Doch wie weit die ›Allende‹ in die Gewässer eingedrungen war, darüber herrschte Unklarheit. Die Russen füllten das ganze Funkspektrum mit wütenden Protesten, die wohl gerechtfertigt sein mochten. Bisher war es noch nicht erwähnt worden, dass sich Anatolij Rostow an Bord des Raketenschiffes

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