34° Ost
gegeben, sich mit den ölproduzierenden Nachbarn zu einer Föderation zu vereinigen. Doch daraus war nichts geworden, ebenso wenig wie aus der Vereinigten Arabischen Republik zu Nassers Zeiten. Nun waren die Russen wieder da und ließen deutlich erkennen, dass sie für alle Zeit zu bleiben gedachten. Das Zypernabkommen und die ihnen daraus zugefallene Rolle als Mandatsmacht auf Sinai gaben ihrer Präsenz im Nahen Osten unbestreitbare Legitimität.
Deborah öffnete einen Teil der Wandverkleidung, der einen Waschtisch, einen Spiegel und einen Händetrockner freigab. Das Gebäude war nach amerikanischen Plänen von einem israelischen Unternehmen errichtet worden und randvoll mit allem möglichen technischen Kram: Klimaanlage, Luftbefeuchter, Gegensprechanlagen, ein Monitor, polarisierte Fenster und regelbare Beleuchtung. Die Wüste wird unwiderruflich amerikanisiert, dachte sie.
Von ihrem Fenster aus sah sie die neuen Gebäude. Es Schu'uts war bis zur Ankunft der Amerikaner ein verschlafenes Nest gewesen. In den Kriegen von 1956 und 1967 wurde es schwer beschädigt und neuerlich beschädigt bei Luftangriffen der Ägypter im Krieg von 1973 – was letztlich zum Zypernabkommen geführt hatte. Jetzt sah Es Schu'uts wie ein amerikanischer Badeort aus. Touristen würden davon allerdings erst Besitz ergreifen, wenn die militärische Lage sich geändert hatte, aber für ihre Ankunft war alles Nötige bereits in Bau, zum Teil auch schon fertig gestellt. Im Westen, an der Seeseite der Küstenstraße, stand glitzernd im grellen Sonnenlicht des Sinai das ›Glashaus‹, der zehn Stock hohe Stahl- und Plastikwürfel der amerikanischen Mission. Gegen Südosten lag das Hauptquartier des amerikanischen Kontingents, ein Komplex von niedrigen Betonblöcken, umgeben von Rasenflächen, blumengesäumten Pfaden und Flaggenmasten, die das Sternenbanner und Kreis und Pfeile der Friedensstreitmacht trugen. Am Strand zwischen Es Schu'uts und Khan Yunis hatten die Amerikaner auch eine Meerwasserentsalzungsanlage errichtet; sie lieferte so viel Süßwasser, dass sie es mit den Israelis in Gaza teilen konnten. Dem Hauptquartier gegenüber stand das Hotel Falascha, ein moderner Glaskasten mit Ausblick auf das Meer. Es gehörte einem israelisch-amerikanischen Konsortium und beherbergte gegenwärtig sämtliche amerikanischen Zivilisten, die in und um Es Schu'uts beschäftigt waren.
Wenn sich dann einmal die Touristen einstellten, würde Es Schu'uts sich vergrößern. Man würde das alte Dorf renovieren und zu einer Fremdenverkehrsattraktion ausbauen. Die ursprüngliche arabische Bevölkerung war bereits umgesiedelt worden. Es war völlig klar, dass die Israelis nicht die Absicht hatten, diesen Teil der Halbinsel jemals an die VAR zurückzugeben. Was die Amerikaner betraf, so schienen ihre beträchtlichen Investitionen darauf hinzudeuten, dass sie nicht erwarteten, das östliche Sinai je wieder unter ägyptischer Herrschaft zu sehen – doch bei den Amerikanern konnte man nie sicher sein. Sie waren unberechenbar. Vizepräsident Bailey tendierte zu einer Wiederherstellung der ägyptischen Souveränität über die ganze Sinai-Halbinsel. Er hatte zu wiederholten Malen öffentlich erklärt, dass die Teilung der Halbinsel nur eine temporäre, rein militärische Zwecklösung darstelle. Dass diese Einstellung Jerusalem nicht eben zu Freudenausbrüchen hinriss, lag auf der Hand.
Deborah befeuchtete einen Kamm und fuhr sich damit durch ihr dichtes schwarzes Haar. Das Gesicht im Spiegel war nach ihrer Meinung nicht mehr als hübsch. Schön war es gewiß nicht. Das Beste an ihr waren die mandelförmigen, dunkelblauen Augen. Tscherkessische Augen, sagte Bill Tate, und vielleicht hatte er recht. In der komplexen Ahnenreihe der Zadoks mochte es wohl Tscherkessen gegeben haben. Die flachen, hohen Backenknochen waren leicht kaukasisch und betonten den ein wenig vorspringenden Mund. Für eine Frau von fast dreißig Jahren war es vielleicht etwas störend, wie ein schmollendes Kind auszusehen, dachte Deborah und zerrte an ihrem Kamm.
Der Körper, dachte sie, war nicht übel. Sie war nicht so hochgewachsen und langbeinig wie die amerikanischen Mädchen, die sich um das Schwimmbecken des Falascha-Hotels tummelten. Aber ihre Brüste waren in Ordnung, ihr Bauch flach und ohne ein Gramm Fett (zwei Verhältnisse, aber keine Ehe, keine Kinder), die Hüften gerundet, nicht zu breit. Sie war eine ›Sabra‹, und sie besaß die Kraft und die natürliche Sinnlichkeit
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