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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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diensthabende Offizier im Operationsbüro salutierte und reichte Tate ein Telex folgenden Inhalts: »vp und begleitung abfliegen washington mit air force two 1200 uhr gmt eta echo sierra 2030 uhr gmt. Für ainsworth jcs.«
    Tate gab das Blatt kommentarlos an Colonel Seidel weiter.
    »Die ›Taube‹ wird Trasks Kopf fordern«, meinte der Richter.
    »Ich wüsste nicht, was ich ihm lieber geben würde«, sagte Tate. »Aber das kann ich nicht machen. Jetzt nicht.«
    Sehr loyal, dachte Seidel ein wenig spöttisch. Das war einem Soldaten angeboren. Wenn sie nur bessere Politiker wären! Trasks unüberlegte Handlungsweise konnte sehr wohl der Hebel sein, der die Falltür unter Bill Tate öffnete – unter Bill Tate und dem ganzen amerikanischen Kontingent. Er unterdrückte einen tiefen Seufzer. Es würde ein langer und schwerer Tag werden.
    Hauptmann Deborah Zadok vom israelischen Verbindungsbüro brachte ihren Schreibtisch in Ordnung und traf Vorbereitungen, das Gebäude zu verlassen und sich zum Mittagessen in die Offiziersmesse zu begeben. Vor wenigen Augenblicken hatte sie Bill Tate und Colonel Seidel gesehen, die im Jeep vom Landeplatz zurückkehrten. Es war ihr nicht allzu ungewöhnlich erschienen, dass es der General so eilig hatte. Von allen amerikanischen Offizieren war es der junge Kommandeur, der häufig an den unwahrscheinlichsten Plätzen auftauchte. Unangemeldet und oft auch ohne Begleitung erschien er an den Grenzposten oder in Übungslagern. Er benahm sich mehr wie ein israelischer als ein amerikanischer General, und das gefiel ihr.
    Sie hatte gehofft, aber nicht erwartet, dass er auf dem Rückweg von El Arisch im Verbindungsbüro vorbeikäme. Es gab keinen Anlass für ihn, das zu tun – außer, um sie zu sehen. In seiner Position konnte er sich romantische Gesten nicht leisten. Vielleicht heute Abend, hatte er gesagt. Sicher war es nicht. Es hing davon ab, ob der amerikanische Vizepräsident und seine Begleitung schon heute oder erst morgen eintreffen würden.
    Irgend etwas war los im Lager des amerikanischen Kontingents. Der Funkverkehr war ungewöhnlich intensiv – das Gerät im Abhörraum des Verbindungsstabes war in der letzten Stunde nicht zur Ruhe gekommen. Ein Großteil der Meldungen war verschlüsselt gewesen. Am regsten war der Verkehr zwischen dem Kontrollturm Echo Sierra und Einheiten der Sechsten Flotte; ein Teil der Funksprüche war an die entlang der entmilitarisierten Zone stationierten Einheiten gerichtet. Höchst unwahrscheinlich, dass alles nur mit der bevorstehenden Ankunft des Vizepräsidenten zusammenhing. Brigadier Rabin hatte den israelischen Stab genauestens instruiert. Soweit dies in einem militärischen Bereich möglich war, würde sich die Armee für die Dauer des Besuches ›tot stellen‹. Vizepräsident Bailey hatte nicht die Absicht geäußert, die israelische Zone zu betreten oder die amerikanischen Stellungen entlang der entmilitarisierten Zone zu inspizieren. Er würde nach seiner Ankunft General Tate und seinen Stab begrüßen und morgen mit dem Wagen in die Zentrale Zone gebracht werden. Dort würde er mit dem Stellvertretenden Ministerpräsidenten Rostow und den Beobachtern der Vereinten Nationen zusammentreffen, die Verlängerung des Zypernabkommens unterschreiben, nach Es Schu'uts zurückkehren und dann nach Jerusalem fliegen, um dem Staatspräsidenten des Staates Israel einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Man war ein wenig verstimmt darüber, dass die Amerikaner die Jerusalemreise erst nach der Begegnung mit Rostow eingeplant hatten. Doch die Amerikaner (und vermutlich auch die Russen) stellten sehr schnell klar, dass die Durchsetzung des Zypernabkommens Sache der Großmächte war und auch weiterhin bleiben würde. Rabin hatte nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass Rostows Weg ihn zuerst in die Zentrale Zone und dann erst nach Kairo führte.
    Worum es Amerikanern und Sowjets hier ging, verstand Deborah sehr gut: sie versuchten ihr Verhältnis zueinander und zu ihren Verbündeten besser zu gestalten. Die amerikanisch-israelische Allianz war schon seit 1948 ziemlich freundschaftlich und freimütig. Doch die russisch-ägyptischen Beziehungen, dachte Deborah, waren komplex, unbeständig, wie es der Natur der Araber entsprach. Schon zweimal waren die Ägypter nahe daran gewesen, den Russen die Freundschaft aufzukündigen. Im Jahre 1972 hatten sie die russischen ›Techniker‹ vorübergehend ausgewiesen und Libyen Avancen gemacht; es hatte sogar Bemühungen

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