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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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wundern, wenn die Sowjets das Treffen jetzt einfach absagen.«
    Bronstein, der besorgt das Fernschreiben überflog, hoffte, die Russen würden genau das tun.
    »Ich möchte niemanden entschuldigen, Sir«, meldete sich Ben Crowell zu Wort, »aber wie es scheint, hat der Pilot des Shrike das Schiff innerhalb der 15-Kilometer-Zone angehalten. Damit haben die Russen gegen die Bestimmungen des Abkommens verstoßen.«
    »Was ändert das an der Sache?« entgegnete Bailey heftig. »Der Präsident schreibt, dass es einen offiziellen Protest geben wird. Die Russen sind wütend. Mit vollem Recht!«
    »Ich habe nicht den Eindruck, dass der Präsident sehr beunruhigt ist«, meinte Reisman.
    »Nein, er nimmt's leicht«, sagte Bailey und errötete, als er sich der Illoyalität bewußt wurde, die aus seinen Worten sprach.
    »Er schreibt, wenn der Protest kommt, wird er vorübergehend unerreichbar sein – in Palm Springs«, sagte Bronstein.
    »Er sucht sich manchmal eigenartige Termine aus, um seine Golfkenntnisse aufzufrischen«, meinte Reisman lächelnd. »Das ist so seine Art. Auf russische Proteste reagiert er meist mit milder Nachlässigkeit. Er sagt, das gibt ihnen Zeit, sich wieder zu beruhigen.«
    »Das finde ich nicht sehr witzig, Jape«, bemerkte der Vizepräsident in strengem Ton.
    »So war es auch nicht gemeint, Sir. Er verläßt sich auf Sie. Sie sollen Rostow überzeugen, dass keine böse Absicht vorgelegen ist.«
    »Nachdem einer seiner geliebten Soldaten Rostow gedemütigt und die sowjetische Flagge in den Dreck gezogen hat«, sagte Bailey.
    Reisman zuckte die Achseln. »Wie gesagt, Sir, sehr bedauerlich, dass es gerade jetzt passieren mußte, aber ich glaube nicht, dass die Sache sich ausweitet.«
    »Wie kann der Präsident so sicher sein, dass ich Rostow überhaupt zu Gesicht bekomme? Erinnern Sie sich an den U-2-Zwischenfall und an die Gipfelkonferenz in Paris?«
    Ben Crowell mischte sich ins Gespräch. »Die Russen werden ein bisschen Wind machen, Sir, aber dass sie die Erneuerung des Abkommens hinauszögern, steht kaum zu befürchten. Ihre Präsenz im südlichen Mittelmeerraum stützt sich darauf.«
    »Das ist auch meine Meinung«, sagte Reisman und fummelte in der Tasche seiner zerknitterten Jacke nach einem zerknüllten Zigarettenpäckchen. »Der Präsident weiß, dass sie nicht absagen werden. Deswegen auch Palm Springs. Er geht auf ein, zwei Tage den Dingen aus dem Weg und gibt den Russen Zeit, sich alles noch einmal in Ruhe zu überlegen. Schließlich ist die Sache ja« – er wies auf das Fernschreiben – »erst vor ein paar Stunden passiert. Die Russen stecken wahrscheinlich immer noch die Köpfe zusammen, um sich auszurechnen, was dabei für sie herausschaut. Vergessen Sie nicht: Wir können genauso gut mit einer Absage drohen wie sie. Ihr Schiff befand sich in amerikanischen Hoheitsgewässern, was laut Abkommen ausdrücklich verboten ist, und …«
    »Das behaupten wir«, warf Bronstein ein.
    Ben Crowell sah den jüngeren Mann an. »Ich finde Ihre Andeutung, das amerikanische Oberkommando würde lügen, nicht sehr passend, Bronstein.«
    »Es soll schon vorgekommen sein, Colonel«, sagte Bronstein. »Hin und wieder.«
    Talcott Bailey sah sich genötigt, den Streit zu schlichten. Einen kleinen Seitenhieb auf seinen Adjutanten konnte er sich aber nicht verkneifen. »Leider hat er da nicht ganz unrecht, Benjamin. Aber ganz gleich, ob Trask seine Handlungsweise rechtfertigen kann oder nicht, er hat auf jeden Fall einen betrüblichen Mangel an Urteilsvermögen an den Tag gelegt!«
    »Wahrscheinlich ein milchbärtiger Leutnant, der die Welt vor dem Untergang retten will«, sagte Jape Reisman.
    »Es ist trotzdem unverzeihlich.« Der Vizepräsident wandte sich an den Sergeant, der immer noch neben ihm stand. »War etwas über diesen Vorfall in den Nachrichten?«
    »Nichts, Sir. Wir haben nur ein Aviso über eine temporäre Panne am Mittelmeer-Telstar bekommen. Vielleicht war das der Grund für die Funkstille.«
    »Danke, Sergeant«, sagte Bailey. »Bestätigen Sie den Empfang des Fernschreibens. Im Augenblick gibt es keine Antwort.« Nachdem der Mann die Kabine verlassen hatte, wandte sich Bailey an Reisman: »Glauben Sie das mit dem Telstar?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Reisman gleichgültig. »Tate will ein bisschen Zeit gewinnen, das ist alles. Länger als zwei Stunden kann er die Sache natürlich nicht unter Verschluss halten. Dann sickert in Es Schu'uts oder in Jerusalem etwas durch, oder die

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