34° Ost
seinen drei Kollegen im vorderen Abteil zu begeben, warf er Benjamin Crowell einen Blick zu und zuckte unmerklich die Achseln.
John Peters Reisman, der Pressesekretär des Präsidenten, hatte sich ganz bewußt aus der Diskussion herausgehalten. Die ihm vom Präsidenten erteilten Instruktionen waren klar und eindeutig. Er sollte nichts tun, womit er bei Bailey und seinen Leuten Anstoß erregen könnte. In diese für ihn nebensächliche Sache wollte er sich nicht einmischen. Er saß ruhig da, ein massige Mann Mitte vierzig, im zerknitterten Anzug, und lauschte den wirkungslosen Einwänden Colonel Crowells.
Talcott Bailey hörte seinem militärischen Adjutanten mit höflicher Bereitwilligkeit zu, doch Reisman, Crowell und Paul Bronstein, der persönliche Sekretär des Vizepräsidenten, der auf der anderen Seite des Mittelganges saß, wußten alle sehr wohl, dass mit einem Rückzug Baileys kaum zu rechnen war.
Paul Bronstein starrte auf das kobaltblaue Wasser des Mittelmeeres hinab. Innerlich stimmte er in allem und jedem mit Ben Crowell überein: dass es riskant, unklug und möglicherweise sogar gefährlich war, auf Sinai ohne eine entsprechend starke Eskorte zu reisen, und dass die Sowjets diese Geste nicht als einen Beweis guten Willens auffassen würden, sondern als Zeichen von Schwäche und Nachgiebigkeit. Warum, zum Teufel, fragte er sich, mußten sie überhaupt die Bestimmungen dieses verdammten Abkommens respektieren und sich auf dem Landweg in die Zentrale Zone begeben, anstatt zu fliegen – was die vernünftigste, schnellste und sicherste Art gewesen wäre. Das Überfliegen der entmilitarisierten Zone war verboten, aber für den Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten hätte man doch wohl eine Ausnahme machen können.
Aber Paul Bronstein hatte nicht die geringste Absicht, sich in den Disput zwischen dem Boss und diesen verdammten Kommissknöpfen einzumengen, und wenn Ben das Thema nicht bald fallenließ, würde er sich seine schwarzen Pfoten gehörig verbrennen.
Die Anwesenheit Colonel Crowells verursachte Paul Bronstein leichtes Unbehagen. Crowell war ganz anders als die Farbigen, die er kannte. Bronsteins Weg zu einer verantwortlichen Position im Stab des Vizepräsidenten hatte ihn durch die üblichen liberalen Kreise geführt: Getto-Organisationen, Studentengruppen, Bürgerrechtsbewegung, antimilitaristische Vereinigungen. Hätte Ben Crowell sich einer modernen politischen Terminologie bedient, wäre er mit revolutionärer Rhetorik vertraut gewesen, so hätte sich Paul Bronstein in seiner Gesellschaft heimisch fühlen können. Doch der Colonel war eindeutig in erster Linie Soldat und dann erst ein Schwarzer. Bronstein fand das beunruhigend.
»Sir«, sagte Colonel Crowell, »überlegen Sie sich die Sache doch noch einmal, wenn wir in Es Schu'uts sind. Lassen Sie mich mit den Leuten vom Nachrichtendienst sprechen und feststellen, was dort in letzter Zeit los war.«
»Der Nationale Sicherheitsrat ist zu der Auffassung gekommen, dass die Tätigkeit der Guerillas in der amerikanischen Zone zum Stillstand gekommen ist. Das genügt mir voll und ganz«, erwiderte der Vizepräsident kalt.
Ein Sergeant trat ein, der den Bordfernschreiber bediente. Er kam mit einem Telexstreifen auf Bailey zu.
»Persönlich für den Vizepräsidenten. Vom Weißen Haus, Sir.«
Talcott Bailey las die Botschaft des Präsidenten. Sein Gesicht wurde hart. Er reichte das Telex an Colonel Crowell weiter, der es las und es Jape Reisman gab.
»Da haben Sie Ihre Antwort, Benjamin«, sagte Bailey. »Eine provozierende Kraftdemonstration können wir uns jetzt wohl nicht mehr leisten.«
»Kann ich das sehen, Jape?« fragte Paul Bronstein.
Reisman sah den Vizepräsidenten an. »Ja, ja, lassen Sie es Paul lesen«, sagte Bailey gereizt.
Bronstein nahm das Blatt und warf Reisman einen giftigen Blick zu. Dieser ignorierte ihn und sagte leichthin: »Kein sehr glücklicher Zeitpunkt, Sir, aber auch kein Grund zu ernster Besorgnis.«
Bailey rief zornig: »Einer von Tates Kampfhähnen stoppt das Schiff des Stellvertretenden Ministerpräsidenten auf hoher See, und Sie finden, das ist gar nichts, Jape?«
»Ich habe nicht gesagt, dass es gar nichts ist«, entgegnete Reisman in mildem Ton. »Ich sage nur, dass man darüber nicht den Kopf verlieren muß.«
»Hätte ich nur Ihre optimistische Lebensauffassung!« sagte Bailey. »Dieser Narr drohte Rostow mit einem Raketenangriff! Kann man sich etwas so Blödes vorstellen? Ich würde mich nicht
Weitere Kostenlose Bücher