34° Ost
es wäre doch Nacht«, erwiderte sie. »Und erwartest du nicht in jedem Falle, dass sie die Luftwaffe gegen uns einsetzen?«
»Gewiß. Aber nicht gleich. Sie werden endlos über die Frage diskutieren, ob sie den Luftraum der entmilitarisierten Zone verletzen sollen oder nicht. Früher oder später werden sie es tun, natürlich, aber nicht bevor wir ein gutes Stück Weges hinter uns gebracht haben.«
»Ein gutes Stück Weges wohin, Leč?«
Die Lippen unter dem herabhängenden Schnurrbart verzogen sich zu einem vielsagenden Lächeln. »Bist du entschlossen, ein Himmelfahrtskommando aus unserer Aktion zu machen? Ich für meinen Teil nicht.«
»Ich bin bereit zu sterben«, sagte Leila.
»Das sind wir alle. Aber ich bin nicht so sicher, dass wir auch sterben müssen, meine Hübsche. Überleg doch mal: Wenn wir den amerikanischen Vizepräsidenten in unserer Gewalt haben, wer wird es wagen, uns anzugreifen?«
Sie zuckte die Achseln. Der Albaner erkannte ihren arabischen Fatalismus, ihren Glauben an ein unabwendbares Schicksal, der wie eine Todesahnung in ihrer Seele brannte. Fatalismus war nützlich, gewiß, aber in keiner Weise bei seinem jetzigen Vorhaben. »Einige von uns werden am Leben bleiben«, fuhr er fort. »Sie müssen es – damit unser Kampf fortdauern kann. Versteh doch: mit Bailey als Geisel können wir alle Gefängnistore im Judenland aufstoßen.«
»Die Israelis werden unsere Leute nicht freilassen. Man hat es versucht.«
Er grinste. »Habt ihr's schon einmal mit einem amerikanischen Vizepräsidenten versucht?«
Die dunklen Augen unter dem Keffijeh waren unergründlich. Freilich, sie ist müde, müde eines endlosen, blutigen Kampfes, der zu nichts führt außer ins Grab oder in den Kerker. Aber sie muß neue Kraft finden. Sie muß.
»Wir werden ihn kriegen, Leila. Ich verspreche es dir. Wir werden ihn uns holen, wir werden ihn festhalten und dann die Welt auf den Kopf stellen, für die Sache. So wird es geschehen!« erklärte er mit Leidenschaft.
»Wir werden es versuchen«, entgegnete sie und lenkte ihr Kamel den Hügel hinab. Sie rief Rifai, Abdullah und die anderen; sie sollten kommen und hören, welche taktischen Entscheidungen der Fremde getroffen hatte.
»Wir landen in zehn Minuten in Palm Springs, Mr. President.« Captain Wingate stand in der Tür zur Privatkabine des Präsidenten. Er stemmte sich gegen die Stirnwand, um die Abwärtsbewegung auszugleichen, mit der die Air Force One östlich der San-Bernardino-Berge im böigen Wind niederging.
Der Präsident blickte über seine Lesebrille hinweg auf den Offizier und nickte zerstreut. Er war mit seinen Gedanken bei den Mappen mit Berichten des Nationalen Sicherheitsrates, die vor ihm lagen. Hinter Wingate sah er Arnes Dickinson, der im Nebenabteil vor sich hin döste.
Ein wenig zögernd, weil ihn die Gegenwart des Präsidenten der Vereinigten Staaten noch immer mit Ehrfurcht erfüllte, sagte Wingate: »Es wird ein bisschen unruhig werden, Sir. Wir haben Höhenturbulenzen über dem San-Jacinto-Tal.«
»Wie wird das Wetter in Palm Springs?«
»Klar und windig, Mr. President.«
Der Präsident nickte, schob seine Brille zurecht und wandte sich wieder den Berichten zu.
Wingate räusperte sich, warf einen Blick auf die Sekretärin und schloß die Kabinentür hinter sich.
»Ich glaube, der Captain wollte Sie bitten, sich anzuschnallen«, meinte Helen Risor.
Der Präsident blickte zerstreut auf. »Warum hat er es dann nicht gesagt?« knurrte er, schnallte sich den Gurt über die Schenkel und drehte sich zur Seite, um aus dem Fenster zu blicken. Die Luft war rein und klar, und die frühe Morgensonne ließ den Schnee auf den Gipfeln der San-Bernardino-Berge in blendendweißer Helligkeit erstrahlen. Er sah die braunen und stumpfgrünen Felder der Ebene im Süden und in der Ferne die silberne Scheibe des Salton-Sees, halb verhüllt unter feinen Schleiern von Bodennebel. Die Bergzüge unter ihnen waren dicht bewaldet, ein sattes Blaugrün mit weißen Flecken Altschnee und Eis. Turbulente Luftströmungen erfassten die Air Force One, das anfänglich sanfte Gleiten wandelte sich zu schwankenden Vorwärtsschwüngen.
Der Präsident schmunzelte. »Ich hoffe, unsere Leute haben gute Mägen.« Selbst ärgstes Wetter hatte ihn nie luftkrank gemacht – eine Tatsache, auf die er im geheimen ziemlich stolz war.
»Rühreier mit Dramamin war heute morgen unser aller Frühstück«, sagte Helen Risor, die seit siebzehn Jahren für den Präsidenten arbeitete
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