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34° Ost

Titel: 34° Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppel Alfred
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Selbstverarzten war er groß, behauptete seine Frau; war er im Zweifel, was ihm fehlte, dann nahm er zwei Aspirin und so viel Gelusil, als er gerade in der Tasche hatte. Für einen Mann seines Alters nicht gerade die beste Methode, sich zu kurieren, sagte sie oft. Er hatte sich diese Gewohnheit im Koreakrieg zugelegt, zu einer Zeit, da die Militärärzte den vollen Einsatz der F-86-Jäger gewährleisteten, indem sie Aspirin verordneten und den Kampffliegern, die sich den Mig-Geschwadern von jenseits des Yalu entgegenstellten, aufmunternd auf die Schulter klopften …
    »Riverside sagt o.k. Colonel«, meldete Wingate. »Wir können allen Luftraum haben, den wir brauchen.«
    »Das ist einer der Vorteile, die man bei dieser Firma genießt«, bemerkte Dayton mit einem dünnen Lächeln. »Also dann wollen wir mal.« Er legte die Hände auf die Steuersäule und setzte die Füße auf die Flügelklappenpedale. Wingate langte über das Drosselventilpult und stellte das Selbststeuergerät ab. Was jetzt kam, war keine leichte Arbeit für Dayton. Air Force One war eine nicht gerade kleine Maschine. Wohl gab es eine verwirrende Vielzahl hydromechanischer Servosysteme für die Steuerung, aber die Bedienung der Maschine erforderte dennoch, noch dazu bei stürmischem Wetter, einen ganzen Mann.
    Sanft in nördliche Richtung kurvend, nahm er Kurs auf das San-Jacinto-Tal und nahm etwas Gas zurück. Er mußte sich anstrengen, um die schwere Maschine ruhig zu halten. Mochten die Turbulenzen noch so stark sein, man durfte den Präsidenten der USA nicht einfach von einer Kabinenwand zur anderen schleudern. Sooft er den Boss an Bord hatte, war nie etwas passiert, und es würde auch heute nichts passieren. Die Piloten des Präsidenten wurden nicht allein nach Können, Umsicht und Besonnenheit, sondern auch nach der Eleganz ihrer Steuerbedienungstechnik ausgewählt. Flugzeugtypen wechselten, die Maschinen konnten so groß wie Bürohäuser werden und dreimal so kompliziert, doch die vordringlichste Aufgabe eines Präsidentenpiloten war es, für einen ruhigen Flug des obersten Befehlshabers zu sorgen.
    »Wir sind unter zehntausend«, las Wingate vom Höhenmesser ab.
    »Wollen wir mal die Flügelbremsen kurz ausfahren«, sagte Dayton. Arme und Schultern schmerzten ihn, er spürte, wie ihm der Schweiß über den Rücken lief. Das Hemd wurde unangenehm feucht.
    Wingate betätigte den Hebel der Flügelbremsen, bis die kurzen Störklappen austraten, und rückte ihn wieder in die Nullposition zurück. Campbell auf dem Sitz des Dritten Piloten schnallte sich fester an. Der Sturm rüttelte die Air Force One gehörig durch, der Boden des Cockpits zitterte. Wingate warf einen Blick zurück, um sich zu vergewissern, dass auch der Navigator angeschnallt war. Craigie hielt sich an seinem Pult fest. Bleistifte und Logbücher rutschten vom Tisch hinunter. Er lachte, schüttelte den Kopf und formte stumm die Worte: »Jetzt geht's richtig los.«
    Wingate nickte zustimmend und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Dayton zu, der die Steuersäule fest umkrampft hielt. Das Gesicht des Colonels war schweißglänzend, der Rand seines Kragens nass. Wingate überlegte, ob er ihn zeitweise ablösen sollte, ließ es aber sein. Mit dem Boss an Bord und bei so stürmischem Wetter wollte Dayton wahrscheinlich keinen anderen 'ranlassen.
    Die frühe Morgensonne fiel grell durch die Cockpitfenster und auf das Armaturenbrett. Die Maschine schlingerte durch die böige Luft, und Lichtstrahlen glitten in wirrem Zickzack durch die Kanzel. Der grelle Glanz und die oszillierenden Sonnenflecke irritierten Dayton. Er verspürte in seiner Kehle einen trockenen, bitteren Geschmack; seine Brust war wie mit Watte ausgestopft. Jedes Mal wenn er Atem holte, war da ein winziger Nadelstich von Schmerz, dessen Ursprung er nicht feststellen konnte. Ihm war richtig schlecht, und er meinte, sich nur mit einem gewaltigen Aufstoßen erleichtern zu können. Der Versuch, einige Male Luft zu schlucken, machte es aber nur noch schlimmer.
    »Wir kommen unter neuntausend«, meldete Wingate.
    Mehrere harte Stöße erschütterten das riesige Flugzeug, so als sei es mitten im Flug angehalten worden. Hier machten sich die von Santa Ana kommenden Winde bemerkbar – gewaltige Luftströme, die wie durch einen Trichter zwischen den Bergen durchbrausten, die die Senke von Los Angeles umschlossen und mit den Winden zusammenstießen, die westlich und südlich der großen Wüsten, Kaliforniens, Nevadas und Arizonas

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