34° Ost
geschaffen, in den vorzudringen Flugzeugen, Panzern und mit schweren Waffen ausgerüsteten Truppen untersagt war.
Für eine kleine Weile gab Tate sich nun Reflexionen über die Menschen hin, die sich jetzt mit dieser Autokolonne durch die entmilitarisierte Zone bewegten. Da war vor allem Deborah Zadok. Er konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass die vergangene Nacht ein Abschied gewesen war und dass er sie nicht wieder sehen würde. Dies war ein Gefühl, vernunftmäßig nicht zu begründen, und es entsprach nicht seinem Wesen, Dinge gefühlsmäßig zu beurteilen. Trotzdem quälte ihn dieser Gedanke, und er fühlte drohende Einsamkeit auf sich zukommen. Dann gab es noch Jason Seidel, der sich seit der Ankunft des Vizepräsidenten in gewisser, kaum merklicher Weise verändert hatte. Es schien, als ob der Richter (und Tate mußte sich eingestehen, dass er sich immer mehr auf den ihm an Erfahrung überlegenen Mann verließ) in den Besitz von Informationen gelangt wäre, die er mit niemandem – zumindest nicht mit seinem Kommandeur – teilen konnte. Und diese Informationen, worauf immer sie sich bezogen, hatten eine Barriere zwischen ihnen aufgerichtet, die mit Begriffen, wie ein Berufssoldat sie verstehen konnte, nicht zu erklären war. Die so sachte bewirkte Trennung von seinem Berater ließ ihn seine Isolierung noch stärker fühlen.
Und schließlich der Hauptakteur, Talcott Bailey – politischen Ideen verhaftet, die den seinen gänzlich unähnlich waren, ein Mann, dessen Worte hohl klangen in selbstgerechtem Defätismus und geprägt waren von schwächlichem patriotischem Denken. Mit seinen höchst virulenten Ideologien hatte er die Wunde infiziert, die Dale Trasks Ungeschicklichkeit gerissen hatte – die Militärs mußten hilflos zusehen, wie der politische Krebs immer weiter um sich griff.
Zehn Minuten nach fünf erhielt Captain Elizabeth Adams einen Anruf in General Tates Büro. Sam Donaldsons Gesicht erschien auf dem Fernsehschirm. Er sprach aus seinem Büro im ›Glashaus‹.
»Ich habe soeben etwas hereinbekommen, Liz. Es ist ziemlich wichtig. Ist der General schon zurück?«
»Nein. Er ist noch unterwegs.« Ihre Stimme klang dünn, man hörte die Spannung, die dieser Tag gebracht hatte. Ihre Phantasiebilder, die um Tate und das jüdische Mädchen kreisten, quälten sie sehr, und die Routinearbeit, in die sie sich stürzte, hatte das Gefühl nagender Eifersucht nicht zu betäuben vermocht.
»Ab jetzt verschlüsseln wir«, sagte Donaldson, und sein Bild löste sich in laufende Linien auf.
Liz Adams schaltete die Verschlüsselungsvorrichtung ein, und Donaldson erschien von neuem auf dem Bildschirm des Fernsehtelefons.
»Ich habe soeben eine Meldung von der israelischen Verbindungsgruppe bekommen, von der der General wissen sollte. Kann sein, dass nichts dahinter steckt, aber es empfiehlt sich, sie an Sergeant Robinson und an General Tate weiterzugeben.«
»Was soll es denn sein?« Liz Adams war bemüht – wenn auch nicht sehr – sich ihre gereizte Stimmung nicht anmerken zu lassen.
Donaldson war zu beschäftigt, um darauf zu achten. »Die Israelis meinen«, sagte er, »dass sich eine Guerillaeinheit in der Zentralen Zone herumtreibt.« Er wandte den Blick zur Seite, um etwas abzulesen. »Es heißt hier wörtlich: ›Kosmos hat verdächtige Bewegungen auf Planquadrat zwo neun Strich drei vier null achthundert aufgezeichnet. Möglicherweise Front-Terroristen. Filmkopie durch Kurier kurzfristig.‹ Haben Sie das?«
In Captain Adams' Hirn geriet etwas ins Schlingern. Es fand eine Veränderung statt, die ihrer natürlichen Skepsis, ihrem gesunden Menschenverstand widersprach. Seit sie erwachsen war, hatte sie ihre in Wirklichkeit von vulkanischen Gefühlen geprägte Persönlichkeit stets hinter konventioneller Kühle verborgen. Die Phantasievorstellungen, in denen Bill Tate den Mittelpunkt bildete, waren deutliche Hinweise darauf gewesen, dass ihre Selbstbeherrschung anfing zu versagen, dass ihr Traumleben die Oberhand zu gewinnen drohte. Ihr nächtlicher Eifersuchtsausbruch und Trasks provozierender Spott hatten ihre Hemmungen in einem gefährlichen Ausmaß geschwächt. Einen selbstvergessenen Augenblick lang schüttelte sie ein Sturm von einander jagenden Phantasiebildern, und sie erbebte in nahezu sexueller Lust, als sie sich vorstellte, wie der Konvoi des Vizepräsidenten – und damit Deborah Zadok – in einen Hinterhalt der Terroristen geriet. Guerillas waren nicht nur aufs Töten
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