34° Ost
anzupassen.
Während die Militärpersonen seiner Begleitung – Crowell, Seidel und der Fahrer – sich verzweifelt bemühten, den Gegner zu lokalisieren, und die Zivilisten Reisman und Bronstein vor Angst den Kopf verloren, behielt Bailey die Nerven.
Er begriff sofort, dass sein Leben nicht unmittelbar gefährdet war. Die Vermutung, dass sich auf der Sinai-Halbinsel gefährliche Terroristengruppen herumtrieben, hatte er bisher als fixe Idee der Militärs abgetan. Vergeblich hatte ihn Bill Tate davon zu überzeugen versucht. Nun, mitten in Feuer und Chaos, mußte Bailey dem General recht geben. Aus dieser unleugbaren Tatsache resultierte eine andere. Es war die gleiche Erkenntnis, zu der wenige Stunden früher auch Enver Leč gekommen war: dass der Vizepräsident der USA eine Geisel von unschätzbarem Wert wäre.
Natürlich war es möglich, dass die Angreifer nur Raub und Mord im Sinn hatten. Doch viel wahrscheinlicher war, dass der Überfall dazu diente, einen wichtigen Amerikaner gefangen zu nehmen – ihn selbst. Wieder gingen seine Gedanken die gleichen Wege wie die von Leč: Jeder, der ihn als Geisel hielt, konnte eine fast unbegrenzte Zahl von Forderungen durchsetzen. Die Israelis hatten sich in solchen Fällen von Erpressungen strikt geweigert, eingekerkerte Terroristen freizulassen. Würden sie aber so standhaft bleiben, wenn die Geisel der zweithöchste Politiker ihres mächtigsten Verbündeten war? Und niemand wußte, welche ungeheuerlichen Bedingungen gestellt würden. Es war durchaus denkbar, dass die Guerillas die Amerikaner – und auch die Sowjets – zur völligen Räumung Sinais zwingen könnten. Und obwohl Bailey davon überzeugt war, dass die USA nicht die Rolle des Weltpolizisten spielen sollten, wollte er sich nicht als Waffe gegen den herrschenden politischen Kurs seines Landes missbrauchen lassen. Innenpolitische Opposition war etwas anderes, als sich zum Faustpfand in einem weltweiten Erpressungsversuch herzugeben.
Die logischen Folgerungen aus diesen rasch aufeinander folgenden Gedanken brachten Bailey zu einem klaren, wenn auch niederschmetternden Ergebnis. Es war nur allzu klar, dass seine Eskorte diesen Kampf verlieren würde. Sie war zahlenmäßig unterlegen, und der Angriff war zu überraschend gekommen. Bailey war ehrlich genug, zuzugeben, dass er selbst an dieser Situation mitschuldig war. Die nüchterne Einschätzung der Lage führte ihn zu dem Schluß, dass er unter keinen Umständen gefangen werden durfte. Er mußte flüchten, selbst wenn das bedeutete, seine Leute im Stich zu lassen. Wäre Bailey ein Feigling gewesen, hätte er sich sofort für diesen Weg entschieden; hätte er Angst vor moralischen Konsequenzen gehabt, wäre er zu einem solchen Entschluß nicht fähig gewesen. Doch Talcott Bailey war kein Feigling. Der Gedanke, sich mitten im Gefecht abzusetzen und verstecken zu müssen, erfüllte ihn mit Widerwillen, doch sein Entschluß stand fest. Schließlich befand er sich in der entmilitarisierten Zone, die regelmäßig von UN-Truppen patrouilliert wurde. Bailey hatte immer schon ein fast kindliches Vertrauen zu den Vereinten Nationen. Er war sicher, dass UN-Soldaten den Kampflärm hören und tapfer eingreifen würden. Er brauchte den Terroristen also nur für kurze Zeit auszuweichen, vielleicht war es bloß eine Frage von Minuten, und alles würde in Ordnung kommen. Dann würde man mit den Guerillas vernünftig verhandeln und weiteres Blutvergießen vermeiden können.
Doch selbst Talcott Baileys liberaler Glaube an das Gute im Menschen wurde erschüttert, als er sah, wie ein Mann mit arabischem Keffijeh aus der Dunkelheit heranstürmte und eine Handgranate in den Pressetransporter warf. Die Explosion zerriss den Wagen. Und als die wenigen Überlebenden von Geschoßgarben unbarmherzig niedergemetzelt wurden, zerbrach Baileys Glaube vollends.
Er sah eine Gruppe von Soldaten, nicht mehr als fünf Mann, die sich unter der Führung des großen schwarzen Sergeanten entlang der Reihe der stehenden Fahrzeuge zurückzog. Geduckt bewegten sie sich in großen Sätzen fort, während ihnen andere Kameraden Feuerschutz gaben. Direkt hinter seinem eigenen Wagen hörte Bailey das helle, peitschende Knattern einer Maschinenpistole. Vor dem israelischen Kommandowagen kniete ein schmächtiger Soldat und schoß auf unsichtbare Ziele. Dann merkte Bailey, dass es eine Frau war, eine Israeli; sie war mit Brigadier Rabin gefahren. Im Flammenschein des brennenden Funkwagens sah er, dass
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