34° Ost
und zielte wieder auf den Riesen. Der reagierte sofort, und von oben regneten aus den zerfetzten Ästen Holzsplitter herab. Leč schob sich noch weiter zurück und blieb atemlos grinsend einen Moment still liegen. Der Schwarze mußte erledigt werden. Doch als Leč wieder vorrobbte, war der Schütze verschwunden. Vom Transporter sprangen andere Soldaten, um sich beim Stabswagen zu sammeln, sie schossen blindlings in die Richtung des Mündungsfeuers hinter der brennenden mobilen Funkstelle.
Am Ende der Kolonne sah Leč eine Gruppe Menschen, offenbar unbewaffnet, die in panischer Angst Hals über Kopf einen Wagen und zwei mit Kisten beladene Laster verließen. Während er diese Szene beobachtete, rannte einer der Guerillas heran und warf eine Handgranate. Die wehrlosen Insassen wurden im Laufen von den Splittern niedergemäht, und ein Laster fing Feuer.
Leč sprang auf. Auf sein Zeichen hin folgte ihm seine Reservegruppe zum Stabswagen. Die Fahrzeuge an der Spitze und am Schluß der Kolonne standen in Flammen, ihr Schein erhellte die Nacht. Aus dem Dunkel zuckte, orangefarbenen Blüten gleich, das Mündungsfeuer der sowjetischen Karabiner. Die Leuchtspuren der schütteren amerikanischen Abwehr zogen Goldfäden durch die Luft. Die schreckliche Schönheit der Szene packte Leč, als er vorwärtsstürmte. Die Detonationen der Geschosse, der beißende Geruch von Kordit, die Flammen, die aus den zerstörten Fahrzeugen schlugen, die Melodie des Todes, die die Luft erfüllte, gaben ihm ein fast unerträgliches Glücksgefühl. Jetzt eine Frau zu besitzen, dachte er, hier, in diesem Augenblick …
Dov Rabin starb in den ersten Sekunden des Überfalls. Fast im selben Moment, als die Funkstelle in Flammen aufging, zerschmetterten Geschosse die Windschutzscheibe des israelischen Kommandowagens, töteten die jungen Offiziere auf den Vordersitzen und rissen Rabin die Schädeldecke am Hinterkopf weg. Er kippte zur Seite, auf Deborah Zadoks Schoß. Als sie ihn aufrichten wollte, berührten ihre Hände eine warme weiche Masse aus Blut und Gehirn. Sie erstickte den Schrei, der ihr in die Kehle stieg, öffnete die hintere Tür, ließ sich auf die Knie hinausfallen und erbrach. Jeder keuchende Atemzug zog ihr würgend die Kehle zusammen. Sie glaubte, sie würde hier im Sand sterben müssen, elend verrecken wie ein Tier.
Endlich ließen die Krämpfe nach. An ein Wagenrad gelehnt, konnte sie aus tränenden Augen um sich blicken. Was sie sah, war eine Szene aus dem Inferno. Hinter dem Kommandofahrzeug brannte der Laster der Presseleute, und Deborah hörte einen Menschen in den prasselnden Flammen gellend schreien. Das Gelände schien von Leichen übersät, obwohl in Wirklichkeit nur etwa sechs Tote und Sterbende umherlagen.
Die Wagen waren ineinander verkeilt, als hätten einige der Fahrer beim ersten Feuerstoß vergeblich auszubrechen versucht, um sich selbst und ihre Autos zu retten. Einige Soldaten kauerten vor dem Kommandowagen bei der Limousine des Vizepräsidenten. Über Deborahs Kopf hinweg schossen die Amerikaner ins flackernde Zwielicht. Deborah wandte sich um und sah Dov Rabins Leiche halb aus der aufgerissenen Wagentür hängen. Sein Gesicht war unverletzt, Augen und Mund standen offen, aber sein Kopf erschien sonderbar deformiert, und der Rücken seiner Uniformbluse schimmerte feucht. Deborah begriff, dass er tot war, sie blickte auf sich hinab: ihr Rock, ihre nackten Knie waren blutbeschmiert, als sei sie durch einen schwarzroten Fluss gewatet.
Wieder stieg Brechreiz in ihr hoch, aber sie hatte nichts mehr im Magen als faulig und bitter schmeckende Leere. Sie langte hinüber und streifte dem Toten die Uzi-Maschinenpistole von der Schulter. Mit fahrigen Bewegungen versuchte sie das Blut vom Metall und dem Tragegurt abzuwischen.
Plötzlich nahm sie in der Nähe laufende Gestalten wahr und hörte ganz deutlich arabische Rufe. Noch immer geduckt kniend, gegen den von Kugeln zerfetzten Autoreifen gestemmt, hob sie die Waffe und begann auf die gespenstischen Schatten hinter den Flammen zu schießen.
Von den Insassen der Vizepräsidenten-Limousine war es Talcott Bailey selbst, der im Moment des Überfalls die größte Geistesgegenwart bewies. Noch nie zuvor war er physisch angegriffen oder mit akuter Gefahr konfrontiert worden. Aber sein Verstand ließ ihn nicht in Stich. Er reagierte rascher als die meisten anderen und war kein Feigling. Zudem besaß er die Fähigkeit, sich in kritischen Situationen sehr rasch den Gegebenheiten
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