35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
sie uns abgenommen. Meinst du denn wirklich, daß wir dich, Schurke, und deine Leute nicht kennen? Sie haben dir wohl nicht gesagt, daß ich ihr Gefangener war, ihnen aber entflohen bin?“
„Nein.“
Er war höchst kleinlaut geworden und knickte zusammen, als ob meine Hand, welche nur ganz leicht auf seiner Achsel lag, vom Gewicht eines Zentners sei. „Und weiter!“ fuhr ich fort. „Du kennst wirklich keinen Weißen, welcher Adolfo Horno heißt?“
„Nein!“ behauptete er abermals.
„Aber du weißt wohl sehr genau, daß er an der Laguna de Bambú festgehalten wird?“
Wir blickten ihn scharf an und sahen, daß ihm bei dieser Frage das Blut aus den Wangen wich, was seinem Gesicht den Schmutz der Erdfarbe gab. Er wußte sichtlich nicht, was er antworten solle, und stieß endlich hervor:
„Ich kenne diese Laguna gar nicht.“
„Nicht? Und doch habt ihre eure Weiber und Kinder dort, und nur vierzig Krieger befinden sich bei denselben.“
„Señor, Señor, Sie – Sie –“ stockte er.
„Wie nun, wenn wir jetzt hinziehen und Rache an ihnen nehmen!“
„Sie – sie – wohnen nicht dort“, stammelte er.
„Gut, so kann es dir sehr gleichgültig sein, daß wir hingehen, um die kleine Isleta del Circulo zu besuchen.“
Jetzt zuckte er sichtlich zusammen. Er erkannte nun, daß wir alles wußten. Anstatt aber aus diesem Grunde weich zu werden und die Bereitschaft zu einem Geständnis zu zeigen, raffte er sich zusammen, schüttelte meine Hand von sich ab und rief in zornigem Ton:
„Señor, was geht mich das alles an! Wie reden Sie mit mir! Was fällt Ihnen denn ein? Ich bin der oberste Kazik aller Stämme der Mbocovis; was aber sind denn Sie?“
Er richtete sich vor mir auf und machte mir ein Gesicht, als ob er mich verschlingen wolle. Fast hätte ich ihn ausgelacht; aber dennoch ärgerte mich die Unverschämtheit dieses Menschen so sehr, daß ich es nicht zum Lachen brachte. „Wer ich bin, fragst du?“ antwortete ich ihm. „Das sollst du sogleich erfahren. Ich bin derjenige, der dich jetzt beim Schopf nimmt und dahin schafft, wohin du gehörst. Komm also, Bursche! Mit dir zu sprechen, ist jammerschade, da jedes Wort verloren ist. Du sollst uns besser kennenlernen und nicht wieder fragen, wer wir sind!“
Ich nahm ihn beim Genick, schüttelte ihn kräftig hin und her, so daß ihm der Atem ausging, steifte ihn auf die Erde nieder, zog ihn halb wieder empor und schleifte ihn dann in das Haus, wo er in Empfang genommen und in den Keller gesteckt wurde. Die Tür desselben wurde zugemacht und so befestigt, daß sie von innen nicht geöffnet werden konnte. Dennoch wurden zwei Wächter zurückgelassen, mit denen der alte Desierto ein Zeichen verabredete, welches sie geben sollten, falls sie Hilfe und Unterstützung bedürften.
Wir anderen begaben uns an das Ufer zurück, wo die sämtlichen Tobas noch auf uns warteten und durch die Nachricht, daß alles wohl gelungen sei, von ihrer Spannung befreit wurden. Man bildete einen Siegeszug, welcher unter dem Lärm der Musikinstrumente nach dem Dorf marschierte.
Nun war auch der zweite, der zahlreichere Trupp der Feinde unschädlich gemacht worden und eine weitere Störung nicht mehr zu befürchten. Darum gestattete der Regent, daß das schon für gestern beabsichtigte Siegesfest nun heute feierlich begangen werden solle.
Diese Erlaubnis hatten viele Schlachttiere mit dem Leben zu bezahlen, und in allen Häusern wurden zwar eilige, aber umfassende Vorbereitungen zu der Feier getroffen. Ich konnte nicht daran denken, an denselben teilzunehmen, denn meine Tätigkeit mußte nun darauf gerichtet sein, auszukundschaften, wo der Sendador sich befinde und was er vorzunehmen beabsichtige. Als ich dies dem Desierto und auch Pena sagte, meinte der letztere:
„Sie haben sehr recht. Wir müssen schleunigst nach den Spuren des Entkommenen suchen.“
„Wie, Sie wollen sich an der Nachforschung beteiligen?“ fragte ich. „Ich verzichte auf Ihre Begleitung, und –“
„Warum?“ unterbrach er mich.
„Weil Sie leicht wieder einen solchen Pudel schießen könnten wie gestern, durch welchen der Sendador uns entkommen ist. Er hält sich sicher im Wald auf. Wollen wir ihn ohne Gefahr für uns ergreifen, so müssen wir ihn beschleichen und ganz unerwartet überfallen. Übrigens bin ich überzeugt, daß ich Veranlassung finden werde, ihn einstweilen ruhig seines Weges gehen zu lassen.“
„Wie, selbst wenn Sie seine Spur entdecken, wollen Sie ihn entkommen
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