35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Hunger!“
Er hatte unsere Leute noch nicht gesehen, nicht einmal den Vordermann derselben, der in einer solchen Entfernung hielt, daß er nicht gesehen werden konnte. Der alte Desierto gab demselben einen Wink, und nun kamen die Tobas herbeigeritten, um einen Kreis um uns zu bilden. Der Mbocovi betrachtete die bewaffneten Männer mit halb furchtsamen und halb begierigen Blicken. Einer von ihnen mußte Eßwaren auspacken und ihm vorlegen. Er zog sein Messer und begann zu essen wie ein Mensch, der seit Tagen nichts genossen hat. Ich wandte mich indessen an den Desierto:
„Ich werde jetzt mit Pena rekognoszieren gehen. Sprechen Sie nicht ohne Not mit diesem Mann. Am besten ist es, Sie beschäftigen ihn, bis ich zurückkehre, nur mit Essen. Seine Aussagen werden uns von großem Nutzen sein, und ich möchte ihm den Eindruck erhalten, den ich auf ihn gemacht habe. Lassen Sie Ihre Leute absitzen, sich aber bereit zur Gegenwehr halten; man kann nicht wissen, was passiert. Hören Sie einen Schuß fallen, so befinde ich mich in Not, und Sie eilen mir schnell zu Hilfe. Es versteht sich ganz von selbst, daß Sie in dem Irren den Gedanken, sich zu entfernen, nicht aufkommen lassen. Hegt er ihn dennoch, so reden Sie ihm in Güte zu. Gewalt aber dürfen Sie nur im Notfall anwenden.“
Nach dieser Instruktion entfernte ich mich mit Pena. Wir schritten in der Richtung fort, welche wir bei unserem Kommen eingehalten hatten, und zwar in Eile, um so schnell wie möglich zurückkehren zu können.
Ich war überzeugt, daß der Mbocovi uns die reine Wahrheit gesagt hatte, und hielt es also nicht für nötig, allzu vorsichtig zu sein, wodurch wir Zeit verloren hätten. Wir gingen darum raschen Schrittes und so unbesorgt durch den Wald, als ob das Dorf der Mbocovis sich hundert Meilen entfernt von uns befunden hätte. Nach einer Viertelstunde traten die Bäume weiter auseinander und wir erreichten den Saum des Waldes. Vor uns lag das Dorf und hinter demselben die Laguna, deren Ufer mit hohem Bambus, von welchem sie den Namen hatte, dicht bestanden war. Zu Pferd konnte man es in zehn Minuten erreichen. Auch ein guter Fußgänger brauchte nicht viel mehr als dieselbe Zeit.
Das Dorf lag zwischen uns und der Laguna. Es bildete, wie bereits gesagt, ein Rechteck, dessen eine lange Seite uns zugekehrt war. Wir hätten die Hütten nach sechshundert Schritten erreicht. In der Mitte des offenen Platzes, den die Gebäude umschlossen, stand ein Gebüsch, welches jedenfalls eine Quelle beschattete. Auf dem Platz tummelten sich Kinder herum; vor den Türen saßen Frauen, mit allerlei Arbeiten beschäftigt; ein Mann war nicht zu sehen. Aber draußen, links vom Dorf, ging es lebhaft zu. Da sprangen die Männer der zurückgelassenen Besatzung lebhaft hin und her, mit kriegerischen Übungen beschäftigt. Einige warfen Lanzen; andere übten sich im Ringen; die meisten aber waren mit Pfeilen und Bogen beschäftigt.
Rechts vom Dorf weideten die Herden auf dem offenen Camp, gehütet von einigen Männern und vielen Hunden. Darüber strahlte ein blauer, wolkenloser Himmel, über welchen die Flammenblitze der sich neigenden Sonne fluteten.
„Hm!“ brummte Pena. „Mit einem sofortigen Überfall ist es nichts.“
„Nein. Die Männer haben vergiftete Pfeile bei sich und würden uns gut bedienen. Wir sind ihnen um nur zwanzig, nein, dreißig Mann überlegen; der Angreifer befindet sich da im Nachteil.“
„Aber diese verteufelten Pfeile haben wir nicht bloß jetzt zu befürchten, sondern in jedem Augenblick.“
„Wenn wir offen angreifen, ja.“
„An welche andere Art von Angriff denken Sie denn?“
„Wir müssen List anwenden.“
„List und wieder List! Der Teufel mag sich da genug Pläne ersinnen! Und noch dazu bei jeder anderen Gelegenheit auch einen anderen Plan!“
„Eben die Veränderung der Verhältnisse bringt ganz von selbst eine Veränderung des Verhaltens mit sich. Man braucht bloß zuzugreifen.“
„Hat sich sein Zugreifen! Ich kann nachdenken wie ich will, so ersehe ich nur das Eine, daß wir uns auf alle Fälle den Giftpfeilen aussetzen werden müssen.“
„So strengen Sie sich lieber gar nicht an, und überlasen das Plänemachen mir!“
„Nun, Ihnen wird das auch nicht nur so zugeflogen kommen. Oder hätten Sie schon eine Idee?“
„Allerdings. Vor allem müssen wir unsere Gefährten von der Insel holen.“
„Warum das? Können wir nicht warten, bis wir im Besitz des Dorfes sind? Sollen etwa auch sie, die sich nicht im
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