35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
liegen, und er kann mir behilflich sein, mich über dasselbe zu orientieren.“
Dagegen war nichts einzuwenden, und so entfernte ich mich mit dem Irren, welcher mir gern folgte und gar nicht daran dachte, sich mir vielleicht durch die Flucht zu entziehen. Als wir den Waldessaum erreichten, setzten wir uns nebeneinander nieder, und ich ließ mir von ihm diejenigen Erklärungen geben, welche ich für nötig hielt. Vor allen Dingen wollte ich erfahren, wo sich das Boot befand; ich hatte ihn nur zu diesem Zweck mitgenommen. Er zeigte mir den Ort von weitem und beschrieb mir die betreffende Stelle so genau, daß ich überzeugt war, sie selbst in der Dunkelheit nicht verfehlen zu können. Dann legte er sich, vom Essen ermüdet, nieder und begann zu schlafen.
Später kam der Desierto einmal herbei, um sich das Dorf zu betrachten. Das war, als die Sonne sich bereits hinter den Horizont gesenkt hatte und die Schatten des Abends sich über die Gegend legten.
Die Krieger waren in das Dorf zurückgekehrt und in ihren Hütten verschwunden. Der Wilde pflegt früh aufzustehen und begibt sich infolgedessen sehr zeitig zur Ruhe. Rechts draußen bei den Herden waren mehrere Feuer angebrannt worden. Die Hirten waren wohl die einzigen, von denen man sich sagen konnte, daß sie wach bleiben würden. Sie hielten aber in solcher Entfernung vom Dorf, daß von ihnen nichts zu befürchten war.
„Ich glaube, die Roten gehen schon schlafen“, sagte der Desierto. „Wenn sie erwachen, wird es nicht so friedlich wie jetzt um sie aussehen. Ich denke, es ist überflüssig, daß Sie noch länger hierbleiben, denn es kommt nun gewiß kein Mbocovi in den Wald.“
„Das meine ich auch. Lassen Sie uns also gehen. Wir müssen vor Tagesanbruch wach sein, und so will ich mich niederlegen.“
Der Irre wurde geweckt und folgte uns nach dem Lagerplatz, als ob er stets zu uns gehört habe. Die Tobas hatten sich schon zur Ruhe ausgestreckt. Nur zwei von ihnen sollten wachen und zugleich mit auf den Irren achtgeben. Ich wickelte mich in meine Decke und legte mich ein wenig abseits von den anderen, was keinem von ihnen auffiel.
Es war schon düster unter den Wipfeln der Bäume, und bald trat die völlige Dunkelheit ein. Alle schliefen, nur ich nicht. Ein Feuer war nicht angebrannt worden; infolgedessen konnte ich nicht beobachtet werden. Die tiefe Stille des Waldes wurde nur zuweilen durch das Schnauben oder Stampfen eines unserer Pferde unterbrochen, welche in der Nähe angebunden waren.
Nach Verlauf von zwei Stunden weckten die beiden Wächter zwei andere, um sich von ihnen ablösen zu lassen. Ich wickelte mich aus der Decke, nahm den Stutzen und schlich mich fort. Es machte keine Schwierigkeit, die beabsichtigte Richtung zu treffen; nur mußte ich im Gehen die Hände vorhalten, um nicht mit dem Gesicht an die Bäume zu rennen. Ich erreichte den Waldsaum an der Stelle, an welcher ich mit dem früheren Zauberer gesessen hatte.
Über dem Dorf und in demselben herrschte völlige Finsternis. Draußen bei den Herden brannten die Feuer. Wenn der Mond erschien, mußte mein Werk vollendet sein.
Ich wollte an die Laguna und mußte also das Dorf umgehen. Das tat ich in einem solchen Bogen, daß ich nicht auf einen etwaigen Wächter treffen konnte; aber gerade dies erschwerte mir das Orientieren. Glücklicherweise hatte ich daran gedacht und mir die am weitesten auswärts liegende Hütte als Marke genommen.
Zwischen dem Dorf und der Laguna angekommen, schlich ich mich zu dem ersteren zurück und fand die Hütte. Nun wußte ich die Richtung und ging in schnurgerader Linie dem Bambussaum zu, welcher die Laguna umgab. Wenn ich nicht nach rechts oder links abwich, mußte ich einen schmalen Pfad erreichen, welcher durch das Gebüsch nach dem Wasser führte. Ich fand ihn nicht, war also doch abgewichen. Darum mußte ich mich niederlegen und nach beiden Seiten mit den Händen nach dem Weg suchen, was gar keine Schwierigkeiten hatte, da ein hartgetretener Weg leicht von der weicheren Erde zu unterscheiden ist.
Ich fand ihn bald und tastete mich langsam weiter. Nach fünf Minuten ungefähr sah ich das Wasser vor mir blinken. Gerade mir gegenüber glänzte ein heller Schein. Das war das Feuer, welches auf der Insel brannte. Nun hatte ich ungefähr zwanzig Schritte weit nach rechts durch das Gebüsch zu gehen, um zwei dicht am Wasser stehende Bambusgruppen zu erreichen, unter deren Zweigen, im Schilf versteckt, der Kahn zu finden sein sollte.
Auf diesem Weg wurde der
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