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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schaut Ihr so neugierig in das Gras, Sir? Es ist einer von den Männern da gegangen; weiter nichts.“
    „Die Sprache des Grases ist eine sichtbare und nicht eine hörbare. Seht Euch doch einmal die Hauptfährte an, Käpt'n! Das Gras ist wieder aufgestanden, aber die Spitzen der Halme hängen noch nieder. Nach welcher Richtung wohl!?“
    „Von uns ab, gegen Norden.“
    „Warum das?“
    „Weil die Leute nach Norden gegangen sind. Man tritt ja das Gras nach derjenigen Richtung nieder, in welcher man sich bewegt.“
    „Betrachtet Euch nun einmal die Spur dieses einzelnen Fußgängers! Die Spitzen der Halme hängen auch. Nicht wahr?“
    „Ja.“
    „Aber weit tiefer als die andern. Was folgt daraus?“
    „Weiter nichts, als daß sie sich noch nicht ganz aufgerichtet haben.“
    „Sehr scharfsinnig! Aber meines Erachtens folgt daraus, daß diese einzelne Spur jünger ist als die Gesamtfährte. Der Betreffende ist weit später hier gegangen als die andern.“
    „Ich denke, sie sind alle beisammen gewesen!“
    „Auf dem Hinweg, ja; aber auf dem Rückweg war er allein. Sagt mir doch einmal, nach welcher Richtung sich hier die Grashalme neigen!“
    Turnerstick betrachtete die Spur genauer als bisher und antwortete dann:
    „Nach uns zu, nach Süd.“
    „Wie also ist dieser Mann gegangen?“
    „Her zu, gegen uns.“
    „Die andern aber gingen von uns ab. Wir haben es also mit der Fährte des Sendador zu tun, welcher allein zurückkehrte. Das ist für mich der Beweis, daß ihm sein Vorhaben gelungen ist. Er hat die Männer nach der Insel geführt und sie dort verlassen. Wer weiß, in welcher Lage sie sich befinden.“
    Der Kapitän schüttelte den Kopf. Der Bruder aber meinte:
    „Tot sind sie nicht; aber es droht ihnen große Gefahr. Sie müssen auf der Insel elend umkommen, wenn niemand kommt, sie zu befreien. Denn, wollen sie den einzig möglichen Fluchtweg einschlagen, nämlich an das Ufer schwimmen, so werden sie von den Bestien zerrissen. Das ist die Lage, in welcher sich die von uns gesuchten Männer befinden werden. Der Sendador hat sie dorthin gelockt.“
    „Hm!“ brummte der brave Yerbatero kopfschüttelnd. „Ich habe noch keine rechte Lust, an die Sache zu glauben. Der Sendador ist mein Freund, wie Sie ja wissen, Señor!“
    „Er hat Sie getäuscht.“
    „Nie. Gegen mich ist er stets ehrlich gewesen.“
    „Das schließt aber nicht aus, daß er gegen andere unehrlich ist.“
    „Nun, jedermann ist wohl mehr auf seinen eigenen als auf anderer Vorteil bedacht; aber hier handelt es sich ja um ein wirkliches Verbrechen.“
    „Und zwar um ein sehr großes!“
    „Und darum nehme ich an, daß wir uns alle irren.“
    „Und ich glaube dem, was Señor Pena uns erzählt hat. Streiten wir uns nicht. Wir werden in kurzer Zeit erfahren, wer recht hat.“
    Wir hatten indessen nicht etwa die kostbare Zeit versäumt. Wir waren nicht halten geblieben, sondern im Galopp der Spur gefolgt. Es war anzunehmen, daß die Krokodilinsel nicht allzuweit entfernt sei; denn die Leute eine große Strecke fortzulocken, das wäre dem Sendador wohl nicht so leicht gelungen. Es war auch kaum eine Viertelstunde vergangen, so erblickten wir vor uns einen Strich, welcher sich dunkel gegen den hellen Horizont abhob. Als wir näher kamen, sahen wir, daß dieser Strich aus dichtem Gebüsch bestand, über welchem sich die Wipfel einiger Bäume erhoben. Zugleich wurde das Gras saftiger; ein Zeichen, daß Wasser, und zwar nicht wenig Wasser in der Nähe sei.
    Als wir das Gebüsch an einer Stelle erreichten, wo die Fährte durch eine Öffnung führte, sahen wir, daß die Laubsträucher einen breiten Gürtel hoher Bambus einschlossen, hinter welchem wir das vermutete Wasser erblickten.
    Ob dieses letztere eine selbständige Lagune sei oder mit einem Fluß, vielleicht dem Rio Salado in Verbindung stehe, das war zunächst nicht zu unterscheiden. Tief schien es nicht zu sein; das bewiesen die zahlreichen Krokodile, welche in weiter Entfernung vom Ufer im Schlamm lagen und deren Mäuler dabei aus dem Wasser ragten. Die Tiere hatten die zahlreichen seichten Stellen eingenommen, zwischen denen sich tiefere, schmale oder breite Rinnen hinzogen. Die häßlichen Kreaturen mußten sich sehr lange Zeit ungestört vermehrt haben dürfen, denn es war nicht schwer, auf einem gar nicht weiten Umfang ihrer hundert und noch mehr zu zählen. Uns gerade gegenüber, aber so weit entfernt, daß es nur für ein scharfes Auge zu erkennen war, lag ein flaches,

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