Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
schickten die Halunken blutig heim; aber mehrere von uns waren verwundet, und einen hatte ein Giftpfeil getroffen. Wir haben ihn am nördlichen Ufer begraben und, da es keine Steine gab, ihm einen hohen Hügel auf das Grab gebaut. Sehen Sie ihn da drüben liegen?“
    Ich folgte mit dem Blick der Richtung, welche seine ausgestreckte Hand andeutete.
    „So kennen Sie also die Gegend?“
    „Ja. Es sind zwar Jahre her, aber kein Mensch legt hier die Axt an die Wälder: sie bleiben wie sie waren. Da links geht es nach dem Fluß, wo die Isla de Taboada liegt, und weiter fort nach Santiago. Von rechts kamen wir damals vom Rio Vermejo herunter, und geradeaus geht es nach der Laguna de Carapa.“
    „Bezieht sich dieser Name auf den Baum, welcher das Carapafett gibt?“
    „Ja. Das ist ein sehr wichtiger Baum. Die Rinde und die Blätter desselben sind ein unschätzbares Mittel gegen das Wechselfieber, und aus den Früchten, welche die Größe eines Hühnereies haben, wird ein butterartiges Fett und das bekannte Tolicuna-Öl gekocht. An jener Lagune sollen große Massen, ganze Wälder dieses Baumes stehen.“
    „Waren Sie einmal dort?“
    „Nein. Man weiß, daß die Tobas-Indianer diese Wälder bewohnen und sie eifersüchtig bewachen, sie sind ihnen heilig und ihr größter Häuptling wohnt dort. Es gehen eigentümliche Gerüchte über ihn. Er soll ein Nachkomme der Inkaherrscher sein und eine weiße Farbe wie ein Europäer besitzen. Niemand außer seinem Volk hat ihn jemals gesehen. Ihm soll es zuzuschreiben sein, daß die Tobas-Indianer den Weißen und der Zivilisation freundlich gesinnt sind. Ich habe Ihnen heute schon gesagt, daß die Mbocovis mit ihnen in ewiger Feindschaft leben. Diese Kerls werden doch nicht etwa dort einfallen wollen!“
    Ich hatte die Mbocovis gezählt; darum antwortete ich:
    „Achtundfünfzig Mann gegen einen ganzen Stamm der Tobas? Das wären ihrer doch wohl viel zu wenig!“
    „Es kommt darauf an, was sie beabsichtigen und vorhaben. Sie wollen vielleicht heimlich stehlen. Da zieht man nicht mit großer Macht aus.“
    „Stehlen? Und ein Weißer befindet sich bei ihnen?“
    „Pah! Es gibt mehr weiße Spitzbuben als rote! Es gibt Leute, welche behaupten, daß die Roten das Stehlen erst von den Weißen gelernt haben, und ich werde mich hüten, diesen Menschen ihre Ansicht zu rauben. Denken Sie doch an den Sendador! Der Mann hat mehr auf dem Gewissen als zehn Indianerhäuptlinge. Aber da stehen wir und versäumen die Zeit. Wir wollen machen, daß wir weiter kommen.“
    Die Sonne hatte schon über zwei Dritteile ihres Laufes zurückgelegt, als die Wüste ein Ende nahm. Das Gras spitzte erst sehr spärlich, nur hier und da, aus dem dürren Sand hervor; und endlich gingen wir wieder über eine Prärie, die dritte des heutigen Tages. Die Sonne sank im Westen, als wir wieder Wald vor uns sahen. Pena fragte mich, ob wir auch jetzt wieder, wie schon einmal, den Wald auf einem Umweg erreichen wollten.
    „Nein“, antwortete ich. „Wir bleiben hier, bis es vollständig dunkel geworden ist.“
    „Ist es nicht besser, noch vor der Nacht in den Wald zu kommen?“
    „Täten wir das, so fänden wir die Roten nicht. Ich bin überzeugt, daß sie höchstens eine halbe Stunde vor uns sind. Sie haben also soeben erst den Wald erreicht und werden sich beeilen, ein Lager zu finden; das wird natürlich am Rand des Waldes oder doch in der Nähe desselben liegen, so daß es nicht schwer zu entdecken ist.“
    „Ich bin mit dieser Berechnung einverstanden; sie ist besser als die meinige.“ Wir setzten uns also nieder, warteten, bis es dunkel geworden war, und brachen dann wieder auf. Schon nach kurzer Zeit zeigte es sich, daß meine Vermutung die richtige gewesen war. Es glänzte uns unter den ersten Bäumen hervor ein lebhaftes Feuer entgegen, und wir erblickten Gestalten, welche sich um dasselbe bewegten. Nun machten wir einen Umweg, indem wir einen Bogen schlugen, um den Roten in den Rücken zu kommen, was uns auch recht gut gelang. Dort lagen wir am Stamm eines Baumes und sahen, hinter demselben vorblickend, dem Lagertreiben zu.
    Näher durften wir uns noch nicht wagen, denn es gab noch zu viel Bewegung unter den Roten. Da, wo sie lagerten, stand Wasser in einem ziemlich großen Tümpel, aus welchem es in einem bloß handbreiten Bächlein an mir und Pena vorüberfloß, jedenfalls um baldigst wieder zu versiegen. Wir tranken mit wahrer Wonne das köstliche Naß.
    Die Indianer brachten aus ihren zusammengelegten

Weitere Kostenlose Bücher