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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welchem Stamm sie gehören. Horchen wir also!“
    Die Roten schienen bei sehr guter Laune zu sein, denn sie sprachen sehr munter, aber nicht laut. Nur zuweilen ertönte ein Ruf der Freude oder der Verwunderung, und ein solcher war es gewesen, welchen wir gehört hatten und durch den wir auf sie aufmerksam geworden waren. Pena horchte lange. Interjektionen sind meist das Gemeingut sämtlicher Stämme; darum bilden sie kein Merkmal der Unterscheidung derselben. Dann aber schien einer etwas zu erzählen, was ihn in Eifer versetzte. Er sprach darum vernehmlicher, als bisher geredet worden war, und da flüsterte Pena mir zu:
    „Jetzt habe ich es; jetzt weiß ich es. Es sind Mbocovis.“
    „Kennen Sie diesen Stamm?“
    „Stamm darf man nicht sagen; es ist ein Volk, welches wieder in mehrere Stämme zerfällt. Ich befand mich vor fünf oder sechs Jahren mehrere Monate lang bei einem derselben, in dessen Gebiete vortreffliche Chinchonas (Fieberrindenbäume) standen. Der Wortschatz dieser Leute ist nicht bedeutend, und ich lernte in der Zeit, so kurz sie war, mich ganz gut ausdrücken; verstehen aber konnte ich sie noch viel besser.“
    „Sie sollen das kriegerischste Volk des Gran Chaco sein?“
    „Das ist wahr. Glücklicherweise sind sie nicht zahlreich, und schwinden eben dieses streitlustigen Charakters wegen schnell und immer mehr zusammen.“
    „Auch las und hörte ich, daß sie ganz besondere Feinde der Tobas-Indianer seien?“
    „Auch das ist richtig. Diese letzteren sind friedfertiger Natur und den Weißen freundlich gesinnt; es gibt sogar welche unter ihnen, die sich seßhaft gemacht haben und einen kleinen Acker bauen, nämlich was man hier so nennt. Aber wenn sie angegriffen werden, so stellen sie ihren Mann. Sie sind der schönste Schlag der Indianer, während die Mbocovis, welche wir vor uns haben, mehr verkommen aussehen. Sie – alle Teufel, wer kommt denn da?“
    Er hatte seine Rede unterbrochen und stieß diese letzteren Verwunderungsworte hervor, weil von der uns entgegengesetzten Seite zwei Männer kamen und sich zu den anderen setzten. Der eine war ein Indianer, auch nicht besser gekleidet als die übrigen; aber er trug eine Art Federkrone auf dem Kopf und eine Flinte in der Hand, während die, welche wir bisher gesehen hatten, nur mit Messern, Lanzen und den gefürchteten Blasrohren bewaffnet waren.
    Der andere war ein Weißer, kurz, breit und sehr kräftig gebaut. Ein dichter, schwarzer Vollbart rahmte sein Gesicht ein, welches ein alter, abgerissener Sombrero beschattete. Auch er trug ein Schießgewehr in der Hand; die Griffe eines Messers und zwei Pistolen blickten aus der breiten, roten Schärpe, welche er als Gürtel um seine Hüften geschlungen hatte.
    „Kennen Sie diesen Weißen?“ fragte ich meinen Gefährten.
    „Nein, aber seinen Begleiter. Ich habe ihn einmal in Paso de los Torros und das andere mal in Cardovo gesehen. Es ist El Venenoso, der Häuptling der Mbocovis.“
    „Diesen Namen habe ich noch nicht gehört.“
    „Weil Sie noch nie hier gewesen sind. Hätten Sie sich nur eine Woche lang am Rio Salado befunden, so hätten Sie gewiß manches über diesen Mann erfahren.“
    „El Venenoso; das heißt zu deutsch doch wohl der Giftige?“
    „Ja.“
    „Verdient er diesen Namen?“
    „Vollständig. Er ist der unversöhnlichste Feind der Weißen, weshalb es mich jetzt wundert, einen solchen in seiner Gesellschaft zu erblicken, und zugleich der größte Spitzbube des Gran Chaco. Blutdürstig wie ein Panther, hält er niemals Ruhe. Man kennt alle seine Taten; aber er ist so listig und verschlagen, so ungeheuer vorsichtig, daß ihm niemals etwas zu beweisen ist.“
    „Besitzt er auch Tapferkeit?“
    „Keine Spur. Legen Sie überhaupt den Maßstab eines Sioux oder Apachen nicht an die Indianer des Gran Chaco. Rauben und stehlen, auch morden können sie; aber der Gefahr weichen sie stets aus. Es ist ein verächtliches und verkommenes Geschlecht.“
    Die Roten aßen jetzt. Wir sahen schweigend zu, bis sie fertig waren. Dann standen sie auf, griffen zu ihren Waffen, und marschierten fort, ohne sich die Mühe zu geben, das Feuer auszulöschen. Der Häuptling und der Weiße gingen an der Spitze.
    „Sie brechen auf“, sagte Pena. „Gehen wir ihnen gleich nach?“
    „Nein. Noch wissen wir nicht genau, ob sie wirklich fortgehen. Ich werde mich ihnen nachschleichen. Warten Sie hier, bis ich zurückkehre!“
    Ich kroch unter dem Busch hervor und ging den Roten eine ganze Strecke nach, bis

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