35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
obgleich er einen solchen Widerwillen gegen Fremde und Weiße gezeigt hatte.
Das nächste Gemach bildete wieder einen Vorratsraum. Die Vorräte bestanden aber nicht in Rindenpaketen, sondern in Sätteln, welche an den vier Wänden hingen. Es waren ihrer wohl über fünfzig vorhanden.
„Sollte dieser Mann Pferde haben?“ fragte Pena.
„Wahrscheinlich! Seine Indianer wird er wohl nicht satteln, um spazieren zu reiten.“
„Aber Indianer des Gran Chaco, und Pferde, und gar solche Sättel!“
„Warum nicht? Jetzt traue ich dem Alten alles Ungewöhnliche zu. Man weiß ja, daß die Tobas-Indianer an Gesittung über den anderen roten Völkern stehen. Vielleicht haben sie das zu einem nicht geringen Teil diesem Einsiedler zu verdanken. Suchen wir jetzt weiter! Schau, dort hinten scheint es eine Treppe zu geben!“
Wir sahen keine weitere Tür; aber in der hinteren Ecke führten Stufen empor, hölzerne Stufen, ganz regelrecht übereinander gefügt. Wir stiegen empor und kamen an eine Tür, welche nur angelehnt war; als wir sie aufstießen, befanden wir uns im Freien.
Die Tür war nicht etwa eine Falltür, sondern eine stehende. Über der Treppe war nämlich ein hölzerner Verschlag errichtet, ganz ähnlich den Treppenhäuschen der Schiffskajüten.
Also wir befanden uns im Freien, aber wir hatten nicht etwa einen Ausblick auf den Wald, auf die Umgebung des Felsens, sondern rundumher stieg eine Mauer auf, welche sicher eine Höhe von fünfzehn Ellen hatte. Das aber war es nicht, was unsere Verwunderung zuerst in Anspruch nahm, sondern unser Staunen wurde durch etwas was ganz anderes erregt. Wir befanden uns nämlich in einem – Garten, ja in einem regelrecht angelegten und sorgfältig gepflegten Garten mit Gemüsebeeten, Beeten, auf denen Melonen gezogen wurden, Beeten mit allerlei Blumen und Blüten. An ihren Rändern standen blühende Rosenstöcke. Ganz im Hintergrund lag ein hölzernes, schuppenartiges Gebäude, und an jeder Ecke gab es eine Laube.
Wir gingen zwischen den Beeten zunächst nach dem ersteren. Dort fanden wir Hacken, Spaten und Schaufeln, außerdem eine Menge anderer Werkzeuge, welche hier im Garten gar nicht gebraucht wurden. Pena kannte sie. Es waren Ausrüstungsgegenstände für Rindensucher. Dann gingen wir nach der nächsten Ecke, in die Laube.
In derselben stand eine Bank. Pena setzte sich nieder, legte die Hände zusammen, sah mich an und fragte:
„Hätten Sie das gedacht? Hätten Sie so etwas vermutet?“
„Nein, gewiß nicht.“
„Ich auch nicht. Hier, mitten im wilden Chaco einen Gemüse- und Blumengarten, wie man ihn in Buenos Aires gar nicht hübscher sehen kann! Das ist wirklich erstaunlich! Das ist ein Wunder!“
„Das Vorhandensein dieser Wohnung ist nicht allzu erstaunlich. Der Alte hat den Felsen auf seinen Streifzügen entdeckt und ihn zu seinem Gebrauch ausgebaut. Aber, daß er einen solchen Garten angelegt hat, das begreife ich freilich nicht. Er ist jedenfalls ein Asket, der das Leben von der strengsten Seite zu nehmen scheint. Und nun dieser Blumenflor, diese Lauben, und – sehen Sie, diese Aussicht!“
Innerhalb der Laube befanden sich rechts und links von der Mauerecke je eine viereckige, fensterähnliche Öffnung, welche von einem Vorhang grüner Blätter bedeckt waren. Ich schob das Gewinde zur Seite, und wir konnten nun über die Bäume weg weit in die Ferne blicken.
„Auch diese Fenster beweisen, daß er ein Mann von Überlegung ist“, sagte Pena. „Da sie durch diese Blätter bedeckt werden, kann man sie von unten nicht sehen. Aber wie er rundum auf den Rändern des Felsen eine so hohe Mauer hat errichten können, das ist nicht zu begreifen. Im Gran Chaco gibt es keine Steine.“
„Aber doch Lehm, um Ziegel zu brennen! Wir haben doch vorhin, als wir kamen, gefunden, daß der Boden lehmig ist.“
„Hm! So hat er seine Indianer als Ziegelstreicher und Maurer arbeiten lassen!“
„Höchst wahrscheinlich. Das ist aber vor nun schon langer Zeit gewesen, denn die Flechten und Moose haben auch die Mauer ganz bedeckt, so daß sie von dem eigentlichen Felsen, dem Fundament, von außen gar nicht zu unterscheiden ist. Gehen wir einmal nach der nächsten Laube. Dort werden wir vielleicht das andere Ufer der Lagune sehen können.“
Wir schritten weiter durch die zwischen den Beeten hinführenden Gänge, welche anstatt des Sandes mit weicher Rindenlohe beschüttet waren, die das Geräusch unserer Schritte dämpfte. Die Laube, welcher wir uns näherten, war
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