35 - Sturm über Vallia
Heroldsrock an den Haken und hörte draußen irgend etwas zersplittern. Die Mädchen waren heute in griffiger Stimmung.
In Wirklichkeit waren sie ein ordentlicher Haufen. Wenn sie nur für den Prinz Majister, für Drak, gekämpft hätten, anstatt für seinen erbitterten Feind!
»Du hast wohl schon einen Mann für heute, Lyss?« rief Jiktar Nandi die Stürmische, die ihren Kopf durch die schmale Tür hereinschob.
»Nein.«
»Ach ja!« sagte Nandi mit geröteten Wangen; das Haar fiel ihr in die Stirn. »Die Frage hätte ich mir sparen können. Man nennt dich nicht umsonst die Einsame.«
»Bist du bereit, mich abzulösen, Nandi?«
»Ja, aber warum hast du es so eilig?«
»Ich hab's nicht eilig. Es liegt nichts Besonderes an. Wenn du meine Mädchen reinholst, will ich nur schon fort sein. Das ist alles.«
»Du hast sie wohl wieder tüchtig rangenommen, wie? Sollte es mal zum Kampf kommen, wirst du eine der ersten sein, die einen Pfeil in den Rücken bekommt.«
Nandis Bemerkung war nur halb scherzhaft gemeint. Lyss' Strenge im Umgang mit ihrer Pastang war allgemein bekannt.
Wortlos saß Lyss auf ihrem kleinen dreibeinigen Schemel, streifte ihre Villenschuhe ab und begann die langen schwarzen Stiefel anzuziehen.
Nandi bot ihr keine Hilfe an.
Lyss war zu stur, um Hilfe zu erbitten.
Dieser Umstand zeigte wieder einmal, daß sie, die eine und wahre Silda Segutoria, die hier saß, in großer Gefahr war, in jener anderen strengen, barschen Frau aufzugehen, in Lyss der Einsamen. Offenkundig erforderte es ihre eigene Sicherheit, daß sie auch in Gedanken Lyss die Einsame war. Sich selbst als Silda zu sehen, Zwilling des Bruders Valin, den sie schon viele schmerzhafte Jahresperioden lang nicht mehr gesehen hatte, hieße der Katastrophe Tür und Tor zu öffnen.
Unter gesenkten Lidern schaute sie empor, beide Hände an den Bändern ihres linken. Stiefels.
»Wenn Sosie die Nachlässige Schluß macht – sie muß vier Burs Zusatzdienst in den Waschräumen ableisten. Ich sage dem Deldar Bescheid, wenn ich gehe.«
»In den Waschräumen? Ja gut. Müßte sie in der Küche Strafdienst machen, würde sie alles anbrennen lassen.«
Ein schwaches Lächeln erschien auf Lyss' Lippen. Silda hätte laut aufgelacht.
Nandi verschwand, und Lyss brach ebenfalls auf, nachdem sie noch einmal schnell in den kleinen ovalen Spiegel geschaut und ihr Haar zurechtgerückt hatte.
Sie trat energisch auf, um die richtige Bequemlichkeit für ihre Füße zu erlangen, dann rückte sie noch einmal auf vertraute Weise die Waffengurte zurecht, bis sie richtig auf den Hüften saßen. Ob nun Silda oder Lyss – sie achtete stets auf Sauberkeit und Ordnung.
Auf direktem Wege begab sie sich zum nächsten Ausgang der Villa. Zahlreiche massive Statuen waren aus Gängen und Ecken entfernt worden, um mehr Raum zu schaffen. An den Stellen, wo sich diese Denkmäler befunden hatten, schimmerte der Marmorboden heller – in polierten Vierecken oder Sternenformen. Lyss bewegte sich mit ruhigen, geschmeidigen Schritten. Leute kamen an ihr vorbei, mit ihren Aufgaben beschäftigt. Ein Stich durchfuhr sie beim Anblick von Sklaven in grauen Lendenschurzen, aber natürlich ließ sie ihrem starren Gesicht keine Regung anmerken.
In dem Saal, der zum Ausgang führte, hallte Stimmengewirr auf wie bei einer ganzen Gruppe, die durcheinanderredete. Sie marschierte weiter und sah die Gruppe in das Gebäude kommen; eine Horde Neuankömmlinge, die ihren Aufgaben zugeführt wurden. Stopfte man noch viel mehr Körper hier herein, würden die Wände bersten!
Abrupt blieb sie stehen. Sie fluchte nicht; dafür straffte sich die weiche Rundung ihrer Lippen.
»O verdammt!« sagte sie zu sich. »Typisch mein Pech!«
Zu der näherkommenden Gruppe gehörte Mandi Volanta, die gerade einen riesigen Bogenschützen aus Loh anlachte. Mandi war zur gleichen Zeit wie Silda Segutoria in Lancival gewesen und würde sie bestimmt erkennen. Lancival – der Ort, an dem die Schwestern der Rose ihre Mädchen in vielen Künsten ausbildeten und auf das kregische Leben vorbereiteten – brachte eine besondere Sorte Mensch hervor. Sofort durchfuhr Silda ein Stich des Kummers und des Zorns darüber, daß Mandi Volanta sich gegen die Mehrzahl ihrer Schulkameraden und gegen den Herrscher gestellt hatte.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich abzuwenden, den Weg zurückzugehen, den sie eben gekommen war, und sich auf Umwegen zum nächsten Ausgang zu bewegen, der hinter dem Korridor der Knochen zu
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