36 - Das Vermächtnis des Inka
man sich zur Ruhe. Obgleich man nicht zu befürchten brauchte, überrascht zu werden, wurden einige Wachen ausgestellt. Hammer unterließ niemals, dies zu tun. Die Pferde brauchten nicht beaufsichtigt oder gar angebunden zu werden, da man sicher sein konnte, daß sie nicht über die Oase hinaus und auf den dürren Sand gehen würden, welcher ihnen kein Futter bot.
Am Morgen waren sie ausgeruht und von der guten Weide so gekräftigt, daß man für den Weiterritt das Beste von ihnen erwarten konnte. Es wurde zunächst ein kurzes Mahl gehalten. Den Fischvorrat wickelte man sorgfältig in Decken. Die Beute, welche dem Versteck entnommen worden war, ließ Hammer so verteilen, daß kein Pferd zuviel zu tragen hatte. Nachdem darauf alle Spuren auf das sorgfältigste vertilgt worden waren, brach man auf.
Der heutige Ritt ging in derselben Richtung wie der vorherige nach Nordwesten. Es gab wieder Sandwüste, und zwar den ganzen Tag. Einigemal kam man an kleinen Lagunen vorüber, welche Salzwasser enthielten. An den Ufern standen einige kümmerliche Salzpflanzen. Man hielt sich also bei ihnen gar nicht auf. Zur Mittagszeit wurde eine Stunde gerastet und am Abend mitten in der Wüste Lager gemacht, natürlich ohne Feuer, da kein Material zu einem solchen vorhanden war. Gegen Morgen, als es noch dunkel war, brach man schon wieder auf.
Interessant war es, den Chirurgen zu beobachten, welche Aufmerksamkeit er seinen Blutegeln widmete. Daß er sie überhaupt mitgenommen hatte, dafür gab es keinen bestimmten Grund. Es waren eben offizinelle Tiere, und da er sich für einen berühmten Arzt hielt, wollte er seinen Gefährten mit ihnen imponieren. Er durfte die Flaschen, in denen sie sich befanden, nicht luftdicht verschließen, da sie sonst erstickt wären. Darum hatte er die Ecken seines Kopftuches abgerissen und diese Fetzen um die Flaschenhälse gebunden. Er war ferner der Ansicht, daß seine Schützlinge vor jeder größeren Erschütterung zu bewahren seien, und hatte infolgedessen die Flaschen in seinen Gürtel gesteckt, aus welchem sie wegen ihrer glatten Oberfläche immer unten herausrutschen wollten. Darum war er unausgesetzt damit beschäftigt, sie immer und immer wieder in die Höhe zu schieben; er hatte die Hände nie zu etwas anderem frei, und da sein Pferd nicht das beste war und er es an der Zügelführung mangeln lassen mußte, wurde er tüchtig zusammengerüttelt und war, als man die Krokodilquelle erreichte, so ermüdet, daß er sogleich aus dem Sattel sprang, die Flaschen in das Gras stellte und sich daneben niederlegte.
Diese Quelle trug ihren Namen mit vollem Recht. Mitten in der Sandwüste lag eine große Lagune, deren Wasser außerordentlich trüb und schlammig war. Sie wurde von einem breiten Schilfrand umsäumt, welcher seinerseits wieder von Tamarinden, Breas und baumartigen Kakteen umgeben war. Dieser Gürtel wurde an verschiedenen Stellen durch grasige Lichtungen unterbrochen, welche den Pferden willkommenes Futter boten. Auf einer dieser Lichtungen drang die Quelle aus dem Boden, um ihr Wasser in nicht allzu großer Entfernung in die Lagune zu senden, wo es sofort seine Helligkeit verlor und trüber wurde.
Dieser letztere Umstand hatte seinen Grund darin, daß das Wasser der Lagune nie still stand, sondern unausgesetzt bewegt wurde, und zwar von Krokodilen, welche Jagd auf ihres- oder andersgleichen hielten und dabei den Schlamm fortwährend aufwühlten. Es war geradezu erstaunlich, zu sehen, in welcher Menge diese häßlichen Tiere hier vorhanden waren. Als Doktor Morgenstern sie erblickte, rief er erschrocken aus: „Ist so etwas möglich! Das ist ja entsetzlich! Da sieht man ja dreißig, vierzig, sechzig auf einmal, welche übereinander wegstürzen! Was sagst du dazu, Fritze?“
„Wat ick sage? Jar nichts. Da bleibt mich jradezu der Mund offenstehen, und ick werde ihm wohl erst dann wieder zumachen, wenn mich eins hineinjefahren ist. Die sollte man in Rummelsburger See haben! Wat für ein Stralauer Fischzug müßte dat werden! Ick möchte nur wissen, wovon sie ihren Appetit befriedigen.“
„Wenn Sie aufpassen, werden Sie es baldigst sehen“, bemerkte der Vater Jaguar. „Wir haben uns dem Rio Salado wieder genähert und befinden uns in einer Gegend, welche von seiner jährlichen Überschwemmung erreicht wird. Das ist die beste Zeit für diese Bestien, welche dann vollauf Fraß finden. Ist die Überschwemmung vorüber, so tritt Fastenzeit für sie ein. Zunächst fressen sie Fische und anderes
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