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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Getier, welches aus dem Fluß in die Lagune gelangt ist. Hat das aufgehört, so treibt sie der Hunger, sich untereinander zu bekriegen. Die großen fressen die kleinen.“
    „Und wenn keine kleinen mehr vorhanden sind, wat tun dann die jroßen?“
    „Dann wissen sie sich nicht anders zu helfen, als daß – – – Da“, unterbrach er sich, „werden Sie es gleich sehen. Passen Sie auf!“
    Gar nicht weit von ihnen waren in der Nähe des Ufers zwei mächtige Krokodile in Kampf geraten. Sie warfen sich gegen- und aufeinander, daß Schlamm und Wasser hoch aufspritzten. Nach kurzem Ringen hatten sie sich gegenseitig an den scharf bewehrten Kinnladen gepackt und so ineinander verbissen, daß sie nicht auseinander zu können schienen. Da schoß ein drittes heran und riß dem einen ein Bein aus dem Leib, worauf es mit seinem Raub im Wasser verschwand. Das verletzte Untier ließ einen ganz eigenartigen, nicht zu beschreibenden Schmerzenston hören, welcher eigentlich kein Schrei genannt werden konnte, worauf sogleich mehrere andere herbeigeschossen kamen, aber nicht etwa, um ihm zu helfen, sondern um sich seiner zu bemächtigen. Es wurde förmlich in Stücke zerrissen, wobei ihm seine Rückenschilder nicht den mindesten Schutz gewährten.
    „Da sehen Sie, wovon sie leben“, sagte Hammer. „Hat eins von ihnen, und wenn es das größte und stärkste wäre, einmal eine Verwundung erhalten, so ist es verloren; es wird von den anderen aufgefressen. Und dabei sind diese Tiere von einer Feigheit, welche ihresgleichen sucht. Ich will es Ihnen beweisen.“
    Er nahm sein Gewehr vom Rücken und drückte ab. Als der Schuß ertönte, verschwanden sämtliche Krokodile wie mit einem Schlag; die Wasser kräuselten noch einige Augenblicke und standen dann so ruhig, als ob in ihnen niemals irgendein Leben geherrscht habe. Von den Ufern aber erhoben sich schreiend einige Stelzvögel, welche trotz der Krokodile im Schlamm nach Beute gesucht hatten, und aus den Zweigen der Bäume flog kreischend eine Schar von Papageien auf.
    Fritze riß sein Gewehr an die Wange und wollte auf die letzteren schießen, Hammer aber schob es ihm weg und fragte: „Was wollen Sie? Etwa Ihr Pulver unnütz verschwenden?“
    „Unnütz? Fällt mich jar nicht ein! Ick wollte mich bloß zu unserem Fisch einen Jeflügelbraten schießen.“
    „Lassen Sie das! Wenn Sie keine Krokodilzähne haben, rate ich Ihnen nicht dazu. Der Papagei wird ungeheuer alt, und selbst in jungen Jahren ist sein Fleisch so zäh, daß es nicht genossen werden kann.“
    „Etwa wie der schöne Vogel Strauß, von dem wir uns auch so 'nen Braten leisten wollten, wie ick Sie erzählt habe?“
    „Ja. Wir müssen uns mit unseren Fischen begnügen. Später, wenn wir wieder in Wälder und zu den mir befreundeten Cambas kommen, werden wir besser leben.“
    Die Pferde wurden abgesattelt, getränkt und auf die Weide gelassen. Die Reiter nahmen ihr Mittagsmahl ein, und dann wiederholte sich genau das, was sich an der Blutegelquelle zugetragen hatte: Das Waffenversteck wurde gesucht, gefunden, ausgeleert und wieder zugemacht. Während dieser Arbeit war es Abend geworden, und man brannte einige Feuer an. El Picaro, der Schalk, machte wieder seine Witze, und die Deutschen saßen erzählend beieinander.
    Der alte Anciano hatte sich diesen letzteren mit dem jungen Inka zugesellt, obgleich beide kein Wort Deutsch verstanden. Der Alte hielt es der Abstammung seines Pfleglings wegen für angemessen, bei den vornehmeren Señores zu sitzen. Der Chirurg schien von ganz demselben Stolz beseelt zu sein, denn er gesellte sich auch zu ihnen, obgleich er nur dann, wenn sie spanisch redeten, ein Wort zur Unterhaltung beitragen konnte.
    Später wurden die Wachen ausgestellt, und man legte sich zur Ruhe. Die ersteren hatten, da es kühl geworden war, die Aufgabe, die Feuer von Zeit zu Zeit zu schüren.
    Ehe Don Parmesan sich zur Ruhe in seinen Poncho hüllte, sah er noch einmal nach seinen Blutegeln, denen er seit Mittag zweimal frisches Wasser gegeben hatte. Er stellte die Flaschen sorgsam zwischen sich und Fritze, welcher neben ihm lag, und wendete sich dann auf die Seite, um einzuschlafen.
    Die Nacht verging ohne Störung, ohne daß etwas Ungewöhnliches geschah, außer man wollte das, was einer der Wachtposten gegen Morgen tat, ungewöhnlich nennen. Dieser Posten war El Picaro, der Schalk. Eben hatte er wieder einmal die Feuer geschürt, da ging er nicht, wie vorher, wieder fort, sondern er schlich sich auf den

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