36 - Die Omen von Kregen
haben Schuld! Hätte ich sie gefunden, ich hätte sie auf der Stelle umgebracht, bei Vox!«
Ich wartete. Er preßte sich eine breite Hand an die Stirn und stützte den Ellbogen auf den Tisch. Und redete weiter.
»Ich habe sie zurückgekauft, o ja. Habe den stinkenden Rasts rotes Gold gegeben für die kleine Sassy.«
»Aber du hast sie bezahlt«, schaltete ich mich ein. »Brauchst du noch mehr Gold, um die Schuld zurückzuzahlen?«
»Schuld? Aye, das ist eine Schuld. Es wurde behauptet, ich hätte das Geld gestohlen. Von meinem eigenen Regiment. Nun ja, ich hab's ausgeborgt, und dann wurde mir meine Beförderung genommen, und es gab kein Geld mehr. Ich hätte es zurückzahlen können, ganz bestimmt.«
Als ich noch Herrscher von Vallia war, hatte ich natürlich nicht alles wissen können, was in meinem Reich vorging. Als Nath nun von seinem Kriegsgerichtsverfahren erzählte und von der Art und Weise, wie es die hohen Herren auf ihn abgesehen hatten, wußte ich, daß mir sein spezieller Fall unbekannt war, auch wenn ich mir aus Prinzip sämtliche Verfahren dieser Art vortragen ließ. Man kann nicht überall zugleich sein. Dennoch fühlte ich mich schuldig. Ich hätte Bescheid wissen müssen.
»Man schickte mich los, um Coys auszubilden. Und stufte mich im Rang zurück. Als der Krieg endlich zu Ende ging, schloß ich mich dem vallianischen Luftdienst an. Und hier bin ich nun.«
Ein wenig tröstete mich der Umstand, daß ich seinen Fall mit ziemlicher Sicherheit gekannt hätte, wenn Naths Tat geeignet gewesen wäre, ihn zum Tode zu verurteilen. Der Fall Renkos des Murais war mir da ein Leitfaden.
»Vermutlich«, sagte ich und spielte auf das Offenkundige an, »hast du dich nicht schuldig bekennen wollen und dir damit den Zunamen des Verstockten verdient.«
»Ja, so war es, Jak, so war es.«
Dann ließ er ruckartig den Kopf auf den Tisch sinken und begann zu schnarchen. Sein Atem säuberte die Platte in einem ordentlichen kleinen Umkreis von Brotkrümeln.
So lag denn die Tragödie dieses Mannes offen zutage. Was er über Lem den Silber-Leem gesagt hatte, blieb gleichwohl unverständlich. Ich konnte nur hoffen, daß der Tempel seiner Schwester und ihres Mannes derjenige war, den der Präfekt niedergebrannt hatte.
Sollte sich der böse Kult jemals wirklich in Vallia festsetzen, konnte das nur schlimme Folgen haben. Im gleichen Augenblick kam mir der seltsame und beunruhigende Gedanke, daß ich mich mit solchen Problemen künftig nicht mehr als Herrscher beschäftigen konnte, sondern als einfacher Bürger. O ja, noch verfügte ich über weite Ländereien und zahlreiche Besitzungen in Vallia; Delia und ich würden nicht Hunger leiden. Aber Drak und Silda lenkten nun die Geschicke der Herrschaftlichen Provinzen.
Ich hatte Nath nicht gefragt, warum er nicht sein Recht gefordert hatte, den Fall vor den Herrscher zu bringen; dazu klang mir zu deutlich in den Ohren, wie geringschätzig Nath von dem besagten Herrscher gesprochen hatte.
Dieser haarige, kräftig gebaute Bursche, der da schnarchend mit dem Kopf auf dem Tisch lag, hatte nun mal etwas gegen die Aristokratie. Nun ja, auch ich hatte früher meine Probleme mit dieser Bevölkerungsschicht gehabt.
Nach längerer Rast und einer weiteren Mahlzeit setzten wir unseren Weg fort. Wir passierten eine Reihe uninteressanter Korridore, in denen Knochenreste und Flaschen unter unseren Füßen knirschten, und erreichten schließlich einen hohen, höchst eindrucksvollen Torbogen. Die Türflügel waren geschlossen.
»Ich kehre nicht um«, sagte ich und drückte gegen die rechte Tür. Sie öffnete sich mühelos.
Der dahinterliegende Saal war groß. Üppige Verzierungen schmückten Decke und Säulen. Die Behänge waren samtig-dick und weinrot. Der Marmorboden schimmerte weiß. Ein süßer Blumengeruch stieg uns in die Nase. In aufsteigenden Reihen säumten gepolsterte Bänke drei Seiten des Raumes – sämtlich leer. In der Mitte des Saales, im Brennpunkt der bequemen Tribünen, erstreckte sich ein kleines Wasserbecken. Dicker Marmor umschloß das Wasser. Feine Dampfwolken stiegen auf.
»Großartig!« rief Nath. »Ein Bad ist genau das, was wir jetzt brauchen!«
Ich stimmte ihm zu. Wir suchten herum und fanden nichts Ungewöhnliches. Wir erkundeten das Wasser, das sich als warm und wohlriechend entpuppte – sehr einladend. Wir zogen uns aus und stiegen hinein.
Nun ja – so etwas Törichtes hätten wir auf keinen Fall tun dürfen.
Als unsere Köpfe wieder an die
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