3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
erschöpft bin, aber mittags treffe ich die drei Franzosen Claire, Marie Dominique und Charles an der Lot wieder, dem Fluss, der sich idyllisch durch Espalion schlängelt. Sie halten gerade Siesta und warten auf drei weitere Freunde, mit denen sie von hier aus noch eine Woche zusammen weiterpilgern wollen.
W ieder laden sie mich ein, ihnen Gesellschaft zu leisten. Als ihre Freunde eintreffen, entscheide ich spontan, mich ihnen anzuschließen und die kommende Nacht dann doch mal mit ihnen unter freiem Himmel zu verbringen. Erst gegen 14:30 Uhr geht es los. Bis Morgen wollen sie es bis Conques schaffen, also 48 Kilometer! Da wir aber heute nur 17 Kilometer wandern werden, steht morgen also eine lange Etappe an. 31 Kilometer dürften für die drei, die schon eine Woche unterwegs sind, und für mich kein Problem werden, aber für die drei Neuankömmlinge vielleicht.
Viele überschätzen sich anfangs und muten ihrem oft untrainierten Körper einfach zu viel zu. Ich weiß, wovon ich spreche…! Es wird ein sehr schöner Tag. In Estaing, das zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört, holen wir uns unseren Stempel ab, lassen das Dorf aber hinter uns und wandern noch etwa sechs Kilometer weiter, bis wir auf einem Höhenweg mit wunderschönem Panorama unser Nachtlager aufschlagen. Bei einem in der Nähe gelegenen Haus können wir unsere Wasserflaschen auffüllen und später essen wir gemeinsam zu Abend.
Vor dem Abendessen stellen sich meine sehr gläubigen französischen Freunde in eine Runde und halten eine sehr kraftvolle und spirituelle Andacht, von der ich zwar nicht viel verstehe, an der ich aber gerne teilnehme. Es ist einer der schönsten Abende bisher und ich bin froh, dass die Franzosen auch Englisch und sogar ein paar Wörter Deutsch sprechen.
Später breiten wir wasserdichte Planen aus, auf die wir unsere Isomatten legen und auf denen wir es uns gemütlich machen. Als ich so daliege und in den atemberaubenden Sternenhimmel schaue, denke ich mir, dass man eigentlich öfter draußen schlafen sollte. Man hat zwar keine sanitären Einrichtungen und liegt etwas hart, ist aber dafür der Natur so nah, wie es geht, und genau das lerne ich mehr und mehr zu schätzen.
Fazit des Tages: Was heute passiert sind in zehn Jahren die guten alten Zeiten!
Dienstag, 1. Juli, 50. Tag:
Montegut - Conques, 31 km
Zum Glück haben die Franzosen sogar einen Gaskocher dabei, so dass ich noch nicht mal auf meinen Morgenkaffee verzichten muss, bevor es um 08:30 Uhr losgeht. Es wird ein sehr langer, extrem heißer und enorm anstrengender Tag.
Charles, der Leitwolf der Gruppe, teilt mir kurz vor unserem Aufbruch mit, dass die Gruppe bis mittags laufen will, ohne zu sprechen. Ich bin der Langsamste von allen und bilde meistens das Schlusslicht der Gruppe, aber das ist schon in Ordnung nach 50 Tagen und fast 1000 Kilometern Jakobsweg. Jeder hat so seinen Rhythmus und Charles gehört definitiv zu der Gattung PGV.
In den regelmäßigen Pausen trudeln dann immer alle nach und nach ein. Mittags legen wir nach dem Mittagessen eine lange Siesta ein, und gegen 18:00 Uhr erreichen wir dann endlich Conques, das völlig zu Recht auch als Perle der Via Podiensis bezeichnet wird. Wir werden mit Glockengeläut empfangen und ich unterliege dem Gruppenzwang und nehme an der ziemlich zähen und langen Pilgerandacht in der wunderschönen romanischen Kathedrale teil, von der ich natürlich wieder kaum etwas verstehe.
Weil die Andacht dann erst um 18:50 Uhr zu Ende ist, schaffe ich es gerade noch in den kleinen Supermarkt, um später mein Versprechen einzulösen und für die Gruppe zu kochen. Weil ich gestern nicht einkaufen musste und zum Abendessen eingeladen wurde, möchte ich mich heute revanchieren. Außerdem habe ich einen Grund zu feiern, weil ich heute genau 50 Tage und 1000 Kilometer unterwegs bin und außerdem ziemlich genau die Hälfte von Frankreich geschafft habe. Weil er als erster da war, hatte Charles schon in der Klosterherberge hinter der Kathedrale Betten für alle reserviert.
Weil man aber dort die Küche nicht benutzen kann, checke ich wieder aus und verabrede mich mit den Franzosen in der anderen Gite zum Essen, wo man nicht in Versuchung kommt, am teuren Abendessen teilzunehmen und sich wenigstens sein eigenes Essen zubereiten kann. Als ich die Gite erreiche, bin ich froh, dass noch ein Bett frei ist.
Ich springe schnell unter die Dusche und koche dann
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