3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
von Pilger zu Pilger gefragt, ob ich noch ein paar Pilger mitbringen könne.
Da sie das erst besprechen wollten, hatten sie mich gebeten , heute nochmal anzurufen. Kaum melde ich mich am Telefon, sagt mir Marino schon, dass es überhaupt kein Problem sei. Seine Frau Alicia habe für fünf Pilger Betten bezogen und ich könne also ruhigen Gewissens bis zu vier Weggefährten mitbringen. Also frage ich Monica, die aber nicht wieder auschecken möchte. Jackie ist total erschöpft und schläft schon, während Annette sich gerade beim Roten Kreuz verarzten lässt, also frage ich kurzerhand meine vier neuen Freunde.
Eleonor, Carmen, Theo und Marc haben zwar auch schon eingecheckt, aber als sie mein Angebot hören , sind sie begeistert, haben kein Problem damit, wieder auszuchecken und bekommen sogar ihr Geld wieder zurück. Eine halbe Stunde später stehen wir mit Rucksack und Pack bereit, als uns Alicia und Marino aus dem 35 (!) Kilometer entfernten Tafalla abholen. Hätte ich gewusst, dass es so weit entfernt ist, hätte ich wahrscheinlich gar nicht erst gefragt. Zu siebt (!) quetschen wir uns also in ihr Auto und fahren zu ihrem Stadthaus, das sehr zentral liegt und einen großen wunderschönen Garten inklusive Swimmingpool hat, leider ohne Wasser. Das wär’s ja noch gewesen!
Alicia und Marino sind wunderbare und sehr hilfsbereite Gastgeber. Nachdem Alicia Theos kleinen Zeh gesehen hat, der ziemlich übel aussieht, verfrachtet sie ihn sofort nach unserer Ankunft wieder in ihr Auto, um mit ihm zum Arzt zu fahren.
Im Haus stehen uns drei Zimmer mit frischbezogenen Betten zur Verfügung. Während wir duschen und unsere Wäsche rauslegen, Alicia hat uns angeboten, sie zu waschen, bereitet Marino das Abendessen vor. Nach dem Grillen und dem Austausch von Pilgererlebnissen bei einigen Gläsern Wein auf ihrer Terrasse gehen wir ins Zentrum von Tafalla. Natürlich ist auch hier gerade Fiesta und es spielt eine tolle Band. Wir genehmigen uns noch ein paar San Miguel und es wird ein richtig toller Abend! So macht Spanien mal richtig Spaß!
Spruch des Tages: “If everyone in the world would do the Camino one time, the world would be a better place!” (Marino). Die Welt ein bisschen besser machen. Dazu haben Alicia und Marino heute mit ihrer unglaublichen Gastfreundschaft ihren Teil beigetragen.
Freitag, 1. August, 81. Tag:
Estella - Los Arcos, 22,5 km
Nach einem wunderbaren Frühstück und einem herzlichen Abschied von Alicia, fährt uns Marino zurück nach Estella, wo der Jakobsweg wieder auf uns wartet. Marino und Alicia sind also insgesamt 140 Kilometer gefahren, haben eingekauft, gekocht und gewaschen, um fünf Pilgern, von denen ihnen vier völlig unbekannt waren, für eine Nacht Gastgeber zu sein! Trägt der Jakobsweg seinen Teil dazu bei, so zu werden? Wie auch immer, solche Menschen sind nachahmenswert!
Von Estella aus setzen wir den Weg zu fünft fort. Unterwegs treffen wir den Deutschen Walter, der seit über 400 (!) Tagen auf dem Camino unterwegs ist und dort quasi seinen Ruhestand verbringt. Er bezeichnet sich selbst als Vagabund und hat, wie es sich für einen echten Vagabunden gehört, keinen Wohnsitz mehr in Deutschland. Er habe durch seine Rente pro Tag 50,-- Euro zur Verfügung. Wenn das stimmt, kann er davon auf dem Camino sehr gut leben.
Als wir nach weiteren 10 Kilometern das nächste Dorf erreichen, entscheidet sich Theo doch, dem Rat des Arztes zu folgen und in den nächsten Tagen nur noch sehr kurze Etappen zu laufen oder gar nicht mehr. Aus Rücksicht auf seinen Fuß nimmt Theo also einen Bus und fährt vor bis Los Arcos. Für ihn auch deshalb eine schwere Entscheidung, weil er uns die Verantwortung für den 17-jährigen Marc überträgt.
Als Sozialarbeiter ist er quasi beruflich auf dem Jakobsweg unterwegs. Marc war als Baby von seiner drogenabhängigen Mutter nach seiner Geburt in eine Pflegefamilie gegeben worden. In der Familie wurde er missbraucht, kam ins Heim und wuchs dort auf.
Weil er kurz vor seiner Volljährigkeit die Kurve nicht zu bekommen schien und weit davon entfernt war , erwachsen zu werden und sein Leben alleine auf die Reihe zu bekommen, schlug
Theo den Behörden vor, mit Marc auf den Jakobsweg zu gehen, damit er selbständiger werden und Selbstvertrauen daz ugewinnen könne. Diese Idee wurde von den niederländischen Behörden begeistert aufgenommen und finanziert.
Tolle Sache, die Schule machen
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