3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
mobilisieren, und wir erreichen gemeinsam Logrono.
Später erzählt Marc Theo, dass er heute einen der schönsten Tage seines Lebens hatte.
Die Herberge ist voll , also werden wir auf die Sporthalle in der Nähe verwiesen, aus der ein Matratzenlager und damit eine Pilgerherberge geworden ist und die nur drei Euro kostet. Bevor wir aber zu unserer Unterkunft aufbrechen, will Marc natürlich nochmal singen, diesmal im Patio der richtigen Herberge. Wieder wird es für alle Anwesenden eine witzige Show. In der Halle gibt es jede Menge Platz und die Luft ist um einiges besser als in vielen der engen Schlafsäle der Herbergen.
Nachdem wir uns unsere Matratzen für die Nacht ausgesucht haben , gehen Carmen, Theo und Marc zum Roten Kreuz, um sich verarzten zu lassen, während Eleonore und ich für unser Abendessen einkaufen gehen. Eleonore ist Marathonläuferin und sicher die Fitteste von uns allen. Wahrscheinlich hätte sie kein Problem damit, wenn ich am Ende unserer Etappen den Vorschlag machen würde, nochmal 15 Kilometer dranzuhängen.
Manche Regeln sind einfach nicht zu begreifen, so zum Beispiel, dass man in der eigentlichen Herberge im Patio, der dafür wie geschaffen ist, nicht essen darf, sondern nur in der stickigen Küche. Weil wir darauf bei diesen Temperaturen keine Lust haben, setzen wir uns in der Nähe der Herberge auf die Straße und essen eben dort zu Abend. Auf diese Weise zu essen sind wir ja sowieso schon gewohnt. Gut, dass man in Spanien vom Boden essen kann.
Später sitzen Carmen, Theo und ich vor der Sportha lle am Ebro und unterhalten uns bei einer weiteren Flasche Rioja darüber, dass Theo sich ausgegrenzt fühlt, seit ich zu der Gruppe gestoßen bin. Er scheint etwas empfindlich zu sein, was aber aufgrund seiner Situation irgendwie verständlich ist. Als wir dann irgendwann endlich alles ausgesprochen und geklärt haben, ist in meinem Kopf gar nichts mehr klar. Zum ersten Mal seit meinem Aufbruch in Deutschland habe ich so richtig die Kurve drin und ich bin froh, mein Bett bzw. meine Matratze noch zu finden.
Zitat des Tages (Carmen, lachend):
“…auf allen vieren durch die Halle!”
A ls sie sich lustig macht über meinen Zustand und ich von meiner Matratze zu ihr rüber krabble, um ihr zu sagen, sie solle erst mal 34 Jahre alt werden und sich nach 80 Tagen gemäßigten Alkoholkonsums mal richtig volllaufen lassen.
Sonntag, 3. August, 83. Tag:
Logrono - Najera, 30,6 km
Gut, dass Kater für mich meistens ein Fremdwort ist, sonst hätte ich wohl einen noch härteren Tag vor mir. Auch die heutige Etappe wird lang, heiß, und wir schlucken wieder jede Menge Staub. Logisch, dass man den abends irgendwie runterspülen muss.
Kurz hinter Logrono erreichen wir den bei einem Naherholungsgebiet gelegenen Stand der Pilgerlegende Marcelino, der hier vorbeikommenden Pilgern Früchte, Kekse, Wasser, Pilgerstäbe und Jakobsmuscheln schenkt. Ein sympathisches Original des Jakobsweges, der schon einige Bücher über seine mehrere Tausend Kilometer Camino geschrieben hat.
Kurze Zeit später erreichen wir eine Autobahn, an deren Begrenzungszaun wahrscheinlich jeder zweite vorbeikommende Pilger ein selbst geflochtenes Kreuz aus Holz, Stroh, Draht und ähnlichem reingehängt hat. Eine weitere schöne Tradition des Jakobsweges sind die unzähligen, ebenfalls von Pilgern aufgeschichteten Steinpyramiden kurz hinter Ventosa, die der stillen Einsamkeit der Landschaft eine mystische, fast andächtige Atmosphäre verleihen. Die letzten Kilometer werden für Marc unter höllischen Schmerzen wieder zur Tortur. Wir holen die letzten Reserven aus ihm raus und schaffen es dann doch gemeinsam bis Najera.
In der öffentlichen Herberge wartet Theo schon auf uns, aber weil wir zu spät ankommen und auch hier die Devise gilt, wer zuerst kommt mahlt zuerst, ist sie natürlich auch schon bis auf einen Platz voll. Wir lassen Marc den Vortritt, nehmen unsere Schlafsäcke und Isomatten und machen es uns am Fluss Najerilla gemütlich, der direkt an der Herberge vorbeiführt und in dem wir ein herrliches Bad nehmen.
Fazit des Tages: Staub, Schlamm, Sonne und Regen, das ist der Weg nach Santiago!
Montag, 4. August, 84. Tag:
Najera - Santo Domingo de la Calzada, 22 km
Am frühen Morgen werden wir ziemlich unsanft geweckt. Ohne es zu wissen, hatten wir unser Nachtlager inmitten von Rasensprengern
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