3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
ich mit dem Rad unterwegs wäre.
Ein letzter und ganz entscheidender Grund , sich für das Pilgern zu Fuß zu entscheiden ist, dass man seine Last, auch im übertragenen Sinne, auf seinen Schultern tragen muss und sich ausschließlich auf seinen Körper und seine Psyche verlassen kann und muss. Nach einem anstrengenden und, wegen der Armeen von Fahrradpilgern, nervigen Marsch erreichen wir am frühen Nachmittag die uninteressante Industriestadt Zubiri, durch die wenigstens ein Fluss fließt, der uns später eine herrliche Abkühlung verschafft.
Das andere Highlight des Tages waren die Blicke zurück auf die Pyrenäen, diesmal endlich von spanischer Seite aus, obwohl meine ersten Eindrücke alles andere als positiv sind. Die Albergue (so heißen die Pilgerherbergen hier in Spanien) ist furchtbar und mindestens genauso reizlos wie die Stadt: zwei Säle in einer alten Schule mit jeweils etwa 30 Schlafplätzen in Etagenbetten. Eigentlich sollte man hier Herbergspiraterie betreiben und nichts für die Nacht bezahlen.
Bevor wir abends kochen, holen wir uns erst noch mit ein paar anderen Pilgern im Fluss unsere verdiente Abkühlung. Ich genieße das kalte Wasser an meinen Füßen, die Gesellschaft der anderen Pilger, dreh mir eine Zigarette und schreibe Tagebuch. Komisch, dass ich nach einem halben Jahr Abstinenz, gerade auf dem Jakobsweg wieder angefangen habe zu rauchen.
L iegt sicher daran, dass der Mensch irgendein Laster braucht und ich habe ja hier sonst fast kein anderes. Später kochen J.M. und ich Tomatennudelsuppe, die wir brüderlich und schwesterlich mit Jackie, Monica (aus Polen) und Annette (aus Deutschland) teilen.
Fazit des Tages: Fahrradpilger nerven irgendwie!
Dienstag, 29. Juli, 78. Tag:
Zubiri - Pamplona, 21 km
Weil es eine Herausforderung für uns ist und wir schnell aus dieser Region, in der wir noch ein paar Kilometer durch wunderschönes Industriegebiet laufen müssen, herauskommen wollen, brechen Jean Marie und ich schon um 07:45 Uhr auf und nehmen uns vor, bis Pamplona ohne Pause zu laufen. Wir sind gut drauf und legen ein ziemliches Tempo vor. Nach etwas mehr als der Hälfte der Strecke und über zwei Stunden Marsch machen wir dann doch eine kurze Pause von etwa 15 Minuten.
Trotz der Pause und ein paar Foto-Stop ps erreichen wir schon um 12:15 Uhr als erste Pilger aus Zubiri Pamplona und checken in der sehr beliebten, aber kleinen Herberge ‘Casa de Paderborn’ ein, die am Ufer des Flusses Arga und nur 900 Meter vom Zentrum Pamplonas gelegen ist. Ohne es zu diesem Zeitpunkt zu wissen, soll diese Etappe meine letzte gemeinsame mit Jean Marie gewesen sein.
Die Albergue, die einem Pilgerverein aus Paderborn gehört und im stetigen Wechsel von Mitgliedern des Vereins geleitet wird, ist sehr schön, super gelegen und wird gerade von Di eter und Gisela (D&G) geleitet. Ich frage Dieter, ob er vielleicht ausnahmsweise, weil Reservierungen in dieser Herberge nicht angenommen werden, ein paar Betten freihalten könne für Annette,
Monica und Jackie, weil ich ahne, dass sie es nicht schaffen, bevor die Herberge voll ist. Hattie schafft es, bevor am frühen Nachmittag die Hütte voll ist , und auch die drei Mädels bekommen so gerade noch ein Bett. Später gehen Jean Marie und ich mit ihnen in die Stadt und wir tun es tatsächlich: Zum ersten Mal treten wir als Straßenmusikanten auf und das auf dem Jakobsweg und in den Straßen, vor der Kathedrale und auf dem größten Platz von Pamplona!
Jean Marie und ich stellen meine Wanderschuhe auf, die ich mitgenommen hatte in der Hoffnung, einen Schuster zu finden, der natürlich geschlossen hat! Meinen Hut legen wir daneben und stellen ein kleines Pappschild davor, auf dem steht: „Para los peregrinos!“ Mit Pilgerstöcken als Mikrophone singen also ein Schweizer und ein deutscher Pilger in einer spanischen Stadt Lieder auf französisch, deutsch und englisch!
Schön finden es die Passanten dann anscheinend doch nicht, denn, trotz tatkräftiger Unterstützung durch die Mädels, ernten wir, wenn es hochkommt, ein mitleidiges Lächeln, aber in den meisten Fällen einfach nur Ignoranz. Egal, was soll’s, wir haben Spaß und haben unsere Pilgerreise um ein weiteres unvergessliches Erlebnis bereichert!
Zwei kleine Kinder haben dann doch so viel Mitleid, dass sie uns, aufgefordert von ihren Eltern, ein paar Cent in den Hut werfen. Auch ein paar Pilger, die wir schon
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