37 - Satan und Ischariot I
Waffen ab, noch ehe sie recht wußten, wie ihnen geschah. Dann wurden sie nach dem Tümpel geschafft, dessen von Bäumen und Sträuchern freie Ufer kaum Platz für so viele Menschen hatten, wie jetzt hier beisammen waren.
Die schon früher gefangenen Yumas erhoben ein Wehgeheul, als wir die sechs zu ihnen brachten. Der ‚Schnelle Fisch‘ war noch jung und mußte sich schon ausgezeichnet haben, da ihm ein so wichtiger Posten anvertraut worden war. Er kannte mich nicht; als er aber Winnetou erblickte, ging ein sichtbarer Schreck über sein Gesicht, und er rief aus:
„Der Häuptling der Apachen! Man hat mir doch gesagt, daß er unten bei der Hazienda del Arroyo zu finden sei!“
Winnetou antwortete in ironischer Höflichkeit:
„Meint der ‚Schnelle Fisch‘, daß der Häuptling der Apachen Ackerbauer und Viehzüchter geworden sei und seine Wohnung für immer in einer Hazienda oder Estanzia aufgeschlagen habe? Ich hörte, daß der ‚Fisch‘ von meiner Anwesenheit benachrichtigt worden sei und mich sehen wolle; da er nun ein so berühmter Krieger ist, habe ich es für meine Pflicht gehalten, ihm den weiten Weg zu ersparen, und bin heraufgekommen, ihn zu begrüßen. Er mag zugleich meinen Bruder Old Shatterhand kennenlernen, welcher da neben mir steht.“
Der Yuma fuhr zurück, betrachtete mich mit großen Augen und rief, die einzelnen Silben auseinanderziehend:
„Das – ist – Old – Shat – ter – hand?! Ist er denn nicht Gefangener des ‚Großen Mundes‘, unseres obersten Häuptlings?“
„Wie du siehst, bin ich nicht gefangen“, antwortete ich. „Der ‚Große Mund‘ trägt seinen Namen mit vollem Recht: Sein Mund ist groß, und seine Worte klingen erhaben, aber Old Shatterhand vermag er samt seinen hundert Yumas nicht zu halten. Ich bin ihm entkommen und habe ihn dann selbst gefangengenommen.“
Ich hielt es natürlich nicht für nötig, ihm mitzuteilen, daß der ‚Große Mund‘ inzwischen wieder entkommen war. Meine Worte mußten ihn erschrecken, und er fragte:
„Der Häuptling ist gefangen? Wo befindet er sich?“
„In den Händen des ‚Starken Büffels‘, eures Todfeindes, der ihn und alle Yumakrieger, die wir ergriffen haben, nach den Weideplätzen der Mimbrenjos schafft, wo sie am Marterpfahl sterben werden. Wir aber sind indessen in die Berge geritten, um den ‚Schnellen Fisch‘ kennenzulernen. Ich wollte zu ihm gehen, um mich ihm zu zeigen; da er aber so freundlich gewesen ist, zu uns zu kommen, so können wir ihm unsere Huldigungen schon hier erweisen und werden ihm dann das Ehrengeleit nach der Fuente de la Roca geben.“
Ja, wir konnten nun nach der Felsenquelle aufbrechen, da wir hier nichts mehr zu tun hatten und Eile überhaupt not tat. Je eher es uns gelang, die Emigranten zu befreien, desto weniger lang hatten sie zu leiden. Freilich, ob mir mit meinen wenigen Mimbrenjos diese Aufgabe gelingen würde, das war mehr als zweifelhaft. Wir hatten noch drei Posten zu je fünf Mann und dazu die an der Fuente befindlichen Yumas aufzuheben. Selbst wenn uns dies gelang, hatten wir dann mehr Gefangene zu bewachen, als wir selbst zählten, und sollten es dann noch mit Melton, den beiden Wellers und den dreihundert Yumas, welche in Almadén alto standen, aufnehmen. Das war weit mehr, als man von Menschen erwarten konnte; aber ich hatte meinen Winnetou bei mir, welcher wirklich, wie gesagt worden war, für hundert zählte, verließ mich, wie auch schon erwähnt, auf mein gutes Glück und hielt es trotz der eingetretenen ungünstigen Umstände doch für nicht unmöglich, daß die zur Hilfe gerufenen Mimbrenjos noch rechtzeitig eintreffen würden.
Bei der Minderzahl, in welcher wir uns befanden, mußten wir unsere Zuflucht zunächst und vor allen Dingen zur List nehmen, und da richtete ich mein Augenmerk auf den Player, dessen Charaktereigenschaften ein Verrat an seinen Genossen recht wohl zuzutrauen war. Wenn ich ihm unsere Nachsicht in Aussicht stellte, stand zu erwarten, daß er dieses Mittel zu seiner Befreiung gern ergreifen werde. Da durfte ich ihn nun freilich nicht mit den gefangenen Yumas verkehren lassen, da diese ihn gewiß abgehalten hätten, mir zu Willen zu sein. Ich richtete es also ein, daß er, als wir aufgebrochen waren, von ihnen abgesondert ritt und den Yumatöter als Wächter bei sich hatte.
Es waren eigentlich nur vier Personen, auf welche ich mich vollständig verlassen konnte, Winnetou, ich und die beiden Söhne des ‚Starken Büffels‘. Von den
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