38 - Satan und Ischariot II
Sie hegten die Hoffnung, daß Mohamed es Sadok Pascha ihnen deshalb die Kopfsteuer für dieses Jahr erlassen oder doch wenigstens herabmindern werde; sie sandten darum Boten zu ihm; er hat es aber nicht getan. Sie sollen von ihren gelichteten Herden die Steuer, die volle Steuer entrichten und werden also in noch viel größere Not geraten. Das hat sie erbittert; deshalb haben sie sich empört. Nun kommen wir sie zu zwingen, ihnen mit Gewalt das Verweigerte abzunehmen; das wird sie zur Verzweiflung bringen. Ich bin aber überzeugt, daß sie die Steuer entrichten würden, wenn sie nicht so große Verluste erlitten hätten. Sie nicht auch?“
„Sofern als auch!“ nickte er.
„Sie können sie nicht geben, ohne in noch größere Not zu geraten; sie werden sich also bis auf das Messer wehren. Die Uled Ayar sind uns an der Zahl der Krieger überlegen. Wenn sie uns besiegen, so sind wir unendlich blamiert und müssen mit Schande heimkehren. Das darf uns natürlich nicht passieren!“
„Es ist unmöglich, eine solche Schande zu ertragen, lieber mit der Waffe in der Faust sterben.“
„Ganz richtig, lieber sterben! Aber nun der andere Fall: wir siegen. Dann stürzen wir den ganzen Stamm in das tiefste Elend; der Hunger reibt ihn auf, und was dieser übrig läßt, das raffen die Krankheiten und Seuchen, welche eine Folge der Hungersnot sind, hin. Soll das geschehen?“
„Ungern. Aber warum soll nicht eintreten ein Auszug des Stammes nach Gegenden, wo die Herden mit gesunden Weiden wieder Kraft und Fett und Fleisch erhalten?“
„Sie meinen, die Ayars sollen die Gegend wechseln, sollen gute Weiden aufsuchen, um ihre Herden sich wieder vermehren zu lassen? Dann ziehen sie hinüber nach Algerien oder gar über die Grenze von Tripolis; sie gehen also dem Pascha verloren, und er wird von ihnen nie wieder Steuer erhalten können, weil er ihnen diejenige eines einzigen kurzen Jahres nicht erlassen hat. Wünschen Sie das?“
„Entweder niemals oder auch nein!“
„Also Sie wünschen, daß weder wir noch die Uled Ayars besiegt werden!“
Er antwortete nicht sofort; er starrte mich ganz erstaunt an, dachte nach und kam da allerdings zur Einsicht, daß ich recht hatte, denn er meinte in verlegenem Ton:
„Das zu wissen, kann ich weder einsehen noch begreifen. Vielleicht können Sie mit beliebiger Scharfsinnigkeit nach Auseinandersetzung aller Gründe mir Hilfe leisten.“
„Ja, ich kann Ihnen einen Rat erteilen; ich weiß ein Mittel, den Uled Ayars die Zahlung der Kopfsteuer zu ermöglichen, ohne daß sie Schaden davon haben. Sie treiben dieselbe von den Uled Ayun ein.“
„Uled Ayun? Inwiefern?“
„Ich weiß, daß die Uled Ayun viel reicher sind als die Uled Ayar; sie können einen Verlust viel leichter ertragen. Indem ich ihren Häuptling und seine dreizehn Begleiter gefangennahm, verfolgte ich einen doppelten Zweck; einmal wollte ich ihn für den Mord bestrafen, das anderemal bekam ich durch ihn einen Trumpf in die Hände, welche wir gegen oder vielmehr für die Uled Ayars ausspielen können. Es ist uns vielleicht gar möglich, letzteren die Entrichtung der Steuer zu ermöglichen und also sie mit dem Pascha auszusöhnen, ohne daß wir einen einzigen Schuß zu tun brauchen.“
„Das würde als ein Wunder vernommen werden.“
„Denken Sie daran, daß die Uled Ayar mit den Uled Ayun in Blutrache stehen. Es wird mir nicht schwer werden, festzustellen, wieviel Morde die letzteren an den ersteren begangen haben; dafür müssen sie die Blutpreise zahlen. Wir können sie zwingen, weil ihr Scheik sich in unseren Händen befindet.“
Da tat Krüger-Bei trotz seines Alters und seiner hohen Würde einen Freudensprung und rief aus:
„Alhamdulillah! Allah sei Dank für diesen kostbaren Gedanken und diese unvergleichliche List, die Sie ausgesonnen haben! Sie sind ein kostbarer Kerl! Ihnen meine Freundschaft! Darauf können Sie sich verlassen von Zeit zu Zeit!“
Er schüttelte mir die Hände, und ich fragte ihn:
„Sie tadeln mich also nicht mehr darüber, daß ich den Scheik gefangen habe?“
„Weder nicht noch nie!“
„So bitte, lassen Sie ihn mit seinen Leuten vorführen. Wir wollen ihn ins Gebet nehmen wegen der Blutrache. Auch habe ich eine persönliche Sache mit ihm zu ordnen.“
„Welcherlei Sache?“
„Er schimpfte mich wiederholt einen Hund, und ich habe ihm dafür Strafe angedroht. Er soll Prügel haben.“
„Prügel? Wissen Sie, daß ein freier Beduine die Prügel nur mit Blut abwäscht und die
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