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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fürchterlichste Rache auf Tod und Leben nimmt?“
    „Ich weiß es genau; ich weis alles, was Sie sagen wollen. Auch ist's nicht etwa allein der ‚Hund‘, den er büßen soll, sondern er soll bestraft werden für die Bosheit und Gefühllosigkeit, welche dazu gehört, eine wehrlose Frau mit einem armen Kind in geradezu teuflischer Weise zu behandeln. Die Blutrache geht mich nichts an; daß er den Greis ermordet hat, dafür bin ich nicht zum Richter berufen; aber ich sah das blinde Kind bei dem Kopf seiner Mutter liegen, welcher um Hilfe schreiend aus der Erde ragte; ich sah die Geier um die Stelle versammelt, jeden Augenblick bereit, die Zerfleischung von Mutter und Kind zu beginnen. Diese Grausamkeit ging weit über die Blutrache hinaus, und dafür soll und muß er seine Strafe erhalten.“
    „Und dennoch kann ich nicht umhin, Zweifel über ihre Berechtigung zu hegen!“
    „Sagen Sie, was Sie wollen! Mein christliches Gefühl ist empört über die Unmenschlichkeit. Sie waren Christ, und ich weiß, daß Sie es im Herzen noch sind, obgleich Sie leider das Gewand eines Moslems tragen. Sie warnen mich nur vor den Folgen, um welche ich mich nicht schere, und geben mir doch innerlich recht. Ich wiederhole meine Bitte: Lassen Sie die Kerle kommen! Ich habe gesagt, daß er seine Strafe noch vor dem Abendgebet erhalten soll, und was ich sage, das gilt. Wenn Sie es nicht zugeben, werde ich ihn hinter ihrem Rücken durchbleuen lassen!“
    „Indem es Ihr fester Entschluß ist, daß er entweder hinter meinem Rücken oder auch vor demselben geprügelt werde, so soll es auf der Stelle Ihnen zuliebe ausgeführt werden.“
    Nachdem er diese Zustimmung in seiner außerordentlich klaren Weise gegeben hatte, erteilte er den Befehl, die Gefangenen vor ihn zu führen. Er nahm vor dem Zelt, welches für ihn aufgerichtet worden war, Platz; ich mußte mich auf die eine Seite neben ihn setzen, und Winnetou und Emery wurden aufgefordert, sich auf der anderen Seite niederzulassen.
    Nach der Art, wie er seine Muttersprache ge- oder vielmehr mißbrauchte, durfte man den Beamten ganz und gar nicht beurteilen; er war in seinen gegenwärtigen Verhältnissen und für dieselben ein ganzer Mann.
    Als die Truppen hörten, daß der Herr der Heerscharen mit den Gefangenen sprechen wolle, kamen sie herbei, um zuzusehen. Die Offiziere bildeten einen weiten Halbkreis um uns. Der Scheik der Uled Ayun wurde mit seinen Leuten gebracht. Er kannte Krüger-Bei und grüßte ihn, doch nur mit einer leichten Verneigung seines Hauptes. Der freie Beduine meint, auf den unfreien Beamten oder Soldaten des Pascha tief herabsehen zu müssen. Da kam er aber bei dem Obersten an den unrechten Mann; dieser hatte jetzt nicht deutsch, sondern arabisch zu sprechen und schnauzte ihn an:
    „Wer bist du?“
    „Du kennst mich doch!“ antwortete der Scheik in trotzigem Ton.
    „Ich glaubte, dich zu kennen; dein hoheitsvoller Gruß sagte mit aber, daß ich mich geirrt habe. Bist du seine Herrlichkeit, der Großsultan von Stambul, welcher der jetzige Kalif aller Gläubigen ist?“
    „Nein“, antwortete der Scheik, welcher nicht wußte, wo der Oberst mit seinen Fragen hinauswollte.
    „Warum grüßt du mich da wie ein Sultan, zu dessen Angesicht ich meine Augen nicht erheben darf! Ich will hören, wer du bist!“
    „Ich bin Farad el Aswad, der oberste Scheik aller Uled Ayun.“
    „Ah, der! Allah öffnet mir die Augen, dich wiederzuerkennen. Also du bist ein Ayun, nichts als ein Ayun, und doch ist dein Nacken zu steif, den Herrn der Heerscharen des Pascha, dem Allah tausend Jahre schenken möge, in würdiger Weise zu grüßen. Ich werde dir den Nacken beugen lassen.“
    „Herr, ich bin ein freier Ayun!“
    „Ein Mörder bist du!“
    „Kein Mörder, sondern ein Bluträcher; aber das geht keinen Menschen etwas an. Wir sind freie Männer und haben unsere eigenen Gesetze, nach denen wir leben; wir zahlen dem Pascha die Kopfsteuer, welche wir ihm versprochen haben; weiter hat er nichts zu fordern, und um das übrige hat er sich nicht zu kümmern.“
    „Du tust, als ob du deine Rechte ganz genau kennst, und ich werde sie dir nicht streitig machen; aber deine Pflichten scheinst du nicht zu kennen. Da ich dich bei deinen Rechten lasse, werde ich auch darauf sehen, daß du bei deinen Pflichten bleibst. Du siehst in mir den Vertreter des Pascha und hast ihn in mir zu achten und zu ehren. Ich werde euch jetzt zwanzig Schritte weit zurückführen lassen; dann naht ihr euch wieder und

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