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38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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denken! Wir werden dich – dich – – –“
    Er macht eine drohende Armbewegung. Der Oberst tat, als ob er diese nicht gesehen habe, und sagte:
    „Irrt euch nicht! – Es wird sich wahrscheinlich nicht nur um einige Stück Vieh, sondern um viel mehr handeln.“
    „Nein. Wir kennen den Preis, welcher bei uns gebräuchlich ist, und können ihn recht wohl bezahlen.“
    Da wendete der Oberst sich an mich und fragte:
    „Welcher Ansicht bist denn du, Effendi?“
    Es ist allerdings gebräuchlich, die Höhe der Diyeh, des Blutpreises, nach den Verhältnissen der Person, welche ihn zu bezahlen haben, zu bestimmen. In diesem Fall war freilich anzunehmen, daß die Uled Ayun nicht so viel für die getöteten Ayar zu bezahlen hatten, wie die Kopfsteuer betrug, welche die letzteren entrichten sollten. Dies wußte der Oberst, und darum wendete er sich an mich in der Hoffnung, daß ich es verstehen würde, der Sache eine günstigere Wendung zu geben. Ich antwortete also in diesem Sinne:
    „Du willst, o Herr, mit den Uled Ayar über die Auslieferung unserer Gefangenen verhandeln?“
    „Ja.“
    „So bitte ich dich um die Gewogenheit, zu erlauben, daß ich es bin, der die Verhandlung zu führen hat!“
    „Die Bitte ist gewährt, denn ich weiß, daß ich keinen besseren Mann damit beauftragen kann.“
    „In diesem Fall werden die Uled Ayun nun freilich viel mehr zu bezahlen haben, als sie jetzt denken.“
    „Meinst du?“ fragte er erfreut.
    „Ja. Der Scheik der Ayun hat mich einen Hund, einen Ungläubigen genannt; ich kenne aber den Koran und die verschiedenen Auslegungen desselben besser als er. Ich werde ihm das dadurch beweisen und seine beleidigenden Ausdrücke dadurch bestrafen, daß ich für die Auslieferung der Gefangenen die Bedingung stelle, den Blutpreis für die getöteten Uled Ayar genau nach dem Koran und seinen Kommentaren zu bestimmen.“
    Da lachte der Scheik höhnisch auf und rief:
    „Ein Nemsi, ein Ungläubiger, ein Christ will den Koran besser kennen als wir, und nach dem heiligen Buch die Diyeh bestimmen! Dem Giaur ist der Hochmut in den Kopf gestiegen und hat ihm den Verstand verwirrt!“
    „Wahre dich!“ warnte ich ihn. „Noch ist das Abendgebet nicht gekommen und du nennst mich einen Giaur. Weiß du denn, was der Koran und die Auslegung über die Diyeh berichtet?“
    „Nein, denn es wird gar nichts berichtet, sonst müßte ich es wissen.“
    „Du irrst, und ich werde deine Unwissenheit erleuchten. Also höre, und die Deinen mögen auch hören: Abd el Mottaleb, der Vatersvater des Propheten, hatte der Gottheit gelobt, wenn sie ihm zehn Söhne bescheren würde, ihr einen derselben zu opfern. Sein Wunsch wurde erfüllt, und um seinem Gelübde treu zu sein, befragte er das Los, welchen seiner zehn Söhne er zum Opfer bringen solle; es traf Abd-Allah, den nachherigen Vater des Propheten. Da nahm Abd el Mottaleb den Knaben und verließ mit ihm die Stadt Mekka, um ihn draußen vor derselben zu opfern. Inzwischen aber hatten die Bewohner der Stadt gehört, was er vorhatte; sie folgten ihm und stellten ihm vor, wie frevelhaft und grausam zu handeln er im Begriffe stehe. Sie versuchten sein Vaterherz zu erweichen, aber er widerstand allen ihren Reden und schickte sich an, das Opfer zu vollziehen. Da trat ein Mann zu ihm und bat ihn, ehe der handle, eine berühmte Wahrsagerin zu befragen. Abd el Mottaleb tat dies, und sie erklärte, daß man rechts den Abd-Allah und links zehn Kamelstuten stellen möge und dann das Los werfen solle, wer zu töten sein, der Knabe oder die Stuten. Wenn das Los auf Abd-Allah falle, müsse man weitere zehn Kamelstuten bringen und wieder das Los befragen, und in dieser Weise fortfahren, bis es auf die Stuten falle, wodurch die Gottheit erkläre, wieviel Stuten das Leben und das Blut des Knaben wert sei. Es wurde auch in dieser Weise verfahren. Zehnmal fiel das Los auf den Knaben, so daß bereits hundert Kamelstuten auf der linken Seite standen. Zum elftenmal traf das Los die Kamele, und Abd-Allah, der Vater des Propheten, wurde dadurch vom Opfertod erlöst. Seit jenem Tag und zum Andenken an denselben wurde der Blutpreis eines Menschen auf hundert Kamelstuten festgestellt, und jeder wirklich gläubige Moslem darf sich nicht nach dem Brauch seiner Gegend, sondern er muß sich nach diesem geheiligten Brauch richten. Was sagst du nun?“
    Diese Frage richtete ich an den Scheik. Er blickte einige Zeit finster vor sich nieder, warf mir dann einen grimmigen Blick zu und

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