38 - Satan und Ischariot II
fragte:
„Welcher M'allim (Lehrer) des Koran hat die Todsünde begangen, dich, den Ungläubigen, über die Geheimnisse des Islam zu unterrichten? Allah verbrenne ihn im glühenden Feuer der Hölle!“
„Der Lehrer war auch ein Christ. Wir Christen kennen eure Lehre weit besser als ihr selbst. Nun rechne einmal! Ihr habt vierzehn Uled Ayar umgebracht; das gibt vierzehnhundert Kamelstuten, welche ihr zu bezahlen habt, wenn ihr euer Leben retten wollt.“
„Und die Uled Ayar werden so verrückt sein, sie zu verlangen?“
„Ja. Oder vielmehr, sie würden verrückt sein, wenn sie es nicht täten. Wir liefern euch nur unter der Bedingung an sie aus, daß sie es tun. Wir machen ihnen mit euch ein großartiges Geschenk, welches sie mit Freuden hinnehmen werden, da sie dann die Kopfsteuer bezahlen können und ihnen noch viele Tiere übrigbleiben, um die gehabten Verluste zu ersetzen!“
„Du redest wie ein ungeborenes Kind! Woher sollen wir vierzehnhundert Kamelstuten nehmen!“
„Hat denn nicht jedes Tier einen Preis, für welchen es zu haben ist? Besitzt nicht auch jede Kamelstute einen solchen?“
„Sollen wir Geld geben? Soviel bares Geld gibt es im ganzen Land nicht. Wir bezahlen nicht, sondern wir tauschen. Aber das weiß du nicht, weil du ein Fremder, ein Giaur bist!“
„Giaur! Wieder eine Beleidigung! Sie wird zu den vorigen gerechnet und erhöht das Maß der Strafe, welche dich treffen wird. Habe ich übrigens gesagt, daß ihr Geld bezahlen sollt? Wenn es bei euch nur Tauschhandel gibt, und ich weiß sehr wohl, daß es so ist, so wird euch kein Mensch verwehren, die vierzehnhundert Kamelstuten im Tausch zu bezahlen. Ihr kennt den Wert eines Kameles, eines Rindes, eines Pferdes, eines Schafes und einer Ziege, und könnt euch also leicht berechnen, wieviel Pferde, Rinder, Schafe oder Ziegen ihr für die Stuten abzuliefern habt. Übrigens ist dies noch nicht alles, was ihr zu bezahlen habt.“
„Etwa noch mehr?“ fuhr er auf.
„Ja. Kennst du die Erklärungen des Koran von Samakschari und Beidhawi?“
„Nein.“
„Ich habe sie studiert. Du siehst also abermals, daß ich, den du einen Giaur schimpfst, die Lehren, Gebote und Gesetze des Islam besser kenne als ihr, die ihr euch rühmt, gläubige und unterrichtete Anhänger des Propheten zu sein. Diese beiden Ausleger sind die berühmtesten von allen, und sagen übereinstimmend: Wer das Weib eines anderen beschimpft, schändet, der tötet ihre Ehre und soll den halben Blutpreis bezahlen; wer sie aber mißhandelt, der tötet die Ehre ihres Mannes und muß die ganze Diyeh entrichten. Weißt du, was ich meine?“
„Allah verderbe dich!“ knirschte er.
„Ihr habt die Frau, die ich rettete, auf eine ganz unmenschliche Weise mißhandelt und dadurch die Ehre ihres Mannes getötet. Das kostet den ganzen Blutpreis, also hundert Kamelstuten oder deren genauen Wert in anderen Tieren. Ich will dabei so gütig sein und die Gefahr, in welche ihr auch das blinde Kind brachtet, nicht mit in Anrechnung bringen. Aber das schwöre ich euch, daß ihr euer Leben nicht rettet, außer ihr bezahlt neben den vierzehnhundert Stuten für die Ermordeten auch noch hundert an die Frau! Sie ist arm, und ich will, daß sie durch die Mißhandlungen, welche sie erdulden mußte, wohlhabend werde.“
Da konnte sich der Scheik nicht länger halten; er sprang zwei Schritt vor und schrie:
„Hund, was hast du zu wollen und zu gebieten! Was gehen dich, den Hundesohn, alle diese Dinge an! Du bist wahnsinnig, daß du dir einbildest, zwei große Stämme dieses Landes sollen sich nach deinen Wünschen richten! Wären mir nicht die Hände gebunden, so würde ich dich erwürgen. So aber nimm das! Ich speie dich an; ich speie dir ins Gesicht!“
Er führte seine wütende Drohung wirklich aus; ich aber warf, an der Erde sitzend, den Oberkörper schnell zur Seite, so daß er mich nicht traf. Da rief Krüger-Bei:
„Führt die Hunde fort, sonst werden sie toll! Sie haben gehört, was wir wollen, und wir werden keinen Fingerbreit davon abgehen; sie werden ausgeliefert und müssen den Blutpreis nach dem Koran und hundert Kamelstuten an die Frau zahlen, wenn sie nicht ihr Leben lassen wollen. Sind die Betreffenden nicht reich genug, so mag ihr Stamm für sie eintreten!“
Man schaffte sie fort, doch hielt man auf meinen Wink den Scheik zurück, welchem, da er sich unbändig gezeigt hatte, die Füße wieder gebunden wurden.
Jetzt ging die Sonne unter, und es war also die Zeit des Maghreb
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