38 - Wiedergeborenes Scorpio
weiter im Norden.
Das Thema Kinder kam mir wieder in den Sinn, als ich Rikky Tardish auf den fehlenden linkshändigen Dolch ansprach, passend zu dem Rapier, das er mir gegeben hatte.
Bedrückt breitete er die Hände aus. »Der Vad hat natürlich die gesamte Beute von den Banditen eingesammelt, das ist sein Recht.«
Ich reagierte ein wenig unwirsch, denn ich fühlte mich meiner Main-Gauche sehr nahe und hatte wenig Lust, von irgendeinem verdammten Vad gebremst zu werden. »Und vermutlich bleiben die Sachen nun über Generationen in seiner Familie«, sagte ich mürrisch, »seine Kinder erben alles ...«
»Ja und nein«, antwortete Rikky Tardish.
»Was soll das heißen?«
»Hier in Tsungfaril«, antwortete er und wandte den Blick ab, »loben wir Tsung-Tan und würden vor Ausländern lieber nicht die verfluchten Paol-ur-bliem erwähnen. Selbst nicht vor jenen, die guten Willens wären.«
Da er sich nicht weiter aushorchen ließ, entfernte ich mich und überlegte, warum Leotes, der wohl einer dieser rätselhaften Paol-ur-bliem-Menschen war, verflucht sein sollte. Rikky Tardishs langer achträdriger Frachtwagen geriet vorn rechts in eine kiesgefüllte Senke, zwei Räder wurden zerschmettert. Die zwölf Mytzer, die den Wagen zogen, wurden abgeschnallt, nachdem sie das Gefährt freigeschleppt hatten. Mürrisch starrte Rikky auf das Wrack. Leotes ließ ausrichten, daß die Karawane an dieser Stelle ihr Nachtlager aufschlagen werde, da er die verlassene Stadt Efeu-Lorn besuchen wolle. Rikky blies die Wangen auf.
»Der Vad ist ein guter Mann, Drajak.«
»Aye«, antwortete ich.
Als Welt ist Kregen wahrhaft bemerkenswert. Dennoch wirken Geographie und Naturkräfte, soweit sie nicht von den Weisen manipuliert werden, weitgehend wie auf der Erde. Der vor uns liegende Fluß der Treibenden Blätter, an dessen Ufern sich Makilorn erhob, war einst in südliche Richtung geströmt; sein Lauf ließ sich im Sand noch ablesen. Einst waren beide Flußufer reich an Vegetation gewesen, reich auch an Obst und Gemüse und fettem Vieh auf den Flußwiesen; Bewässerungsgräben hatten die prächtige Stadt unterstützt, deren Ruinen nun eine so starke Anziehung auf den Geist ausübten.
Strahlend verkündete Mevancy: »Leotes und ich werden die Ruinen erkunden, Kohlkopf. Vermutlich hätte es keinen Zweck, wenn du Rikky zu helfen versuchst.«
»Wohl nicht.«
Sie lachte und entfernte sich mit dem typischen Hüftschwung, und ich sah sie und Leotes aufsteigen und auf die verlassene Stadt zugaloppieren. Nun ja, wenn die Dinge so lagen, mich gingen sie nichts an. Ich verspürte einen Anflug von Unruhe und Verwunderung, wenn ich an Mevancy dachte; ich war mir noch immer nicht sicher, daß sie wirklich eine Apim war. Nicht daß das den geringsten Unterschied gemacht hätte.
Nach der kurzen Reise des Tages war ich unruhig und verspürte ebenfalls den Wunsch, mir die uralten Ruinen anzuschauen. Als der Fluß seinen Lauf änderte, hatten die Menschen aufgeladen, was sie mitnehmen konnten, und waren losgezogen, um das Wasser weiter westlich wiederzufinden. Die in der Trockenheit zurückgebliebene Stadt war noch erstaunlich gut erhalten. Einige Tempel wirkten noch immer eindrucksvoll, hoch aufragende Silhouetten vor dem nachmittäglichen Himmel.
Schniefer, die mir von Mevancy zur Verfügung gestellte Lictrix, warf mir einen nervösen Blick zu, als ich sie losband, obwohl sie doch gerade erst zu den anderen Tieren gestellt worden war. Sie stampfte auf den Boden, allerdings mit den mittleren Beinen, was mir anzeigte, daß die Erregung nicht zu schlimm sein konnte.
Ich hatte schon einen Fuß in den Steigbügel gestellt, als Meister Pandarun herbeilief. »Drajak!« rief er. »Einen Augenblick. Hast du den Vad gesehen?«
»Er ist zu den Ruinen geritten.«
»Ich weiß, aber ...«
»Ja, ich habe genau gesehen, wohin er geritten ist.«
»Zorcareiter! Sie haben eine dringende Nachricht der Königin gebracht. Der Vad muß sofort informiert werden. Ob du ...?«
»Natürlich.« Ich stieg auf, spornte Schniefer an und ritt mit dem Gedanken los, daß ich nun einen Vorwand hatte, mir die Ruinen anzuschauen.
Efeu-Lorn mußte eine großartige Blüte erlebt haben. Unwillkürlich verglich ich die Ruinenstadt mit anderen untergegangenen Städten auf zwei Welten. Efeu-Lorn errang dabei einen hervorragenden Platz. Langsam ritt ich über einen breiten, staubigen Boulevard, der von noch immer eindrucksvollen Fassaden gesäumt war. Schließlich entdeckte ich an der
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