39 - Meuchelmörder von Scorpio
offen.
An der nächsten Ecke trat ich beiseite und wartete leise. Mein Schatten folgte mir pflichtbewußt, und als er neben mir um die Ecke kam, ergriff ich ihn an Arm und Kehle. Ich stauchte ihn etwas zusammen; nicht sehr viel, ich wollte schließlich die Ware nicht beschädigen.
»He, he!« keuchte er. »Du solltest nicht ...«
»Es ist mir egal, daß du mich verfolgst, Dom. Auch wenn ich einige Leute kenne, die deine Eingeweide mittlerweile über die Straße verteilt hätten.« Seine Antwort bestand aus einem Gurgeln, da ich meinen Griff verstärkte. »Ich werde für den Rest der Nacht ein Bett aufsuchen.«
Mit einer geschmeidigen Drehung stellte ich ihn auf den Kopf. Ich schüttelte ihn. Mannigfaltige Objekte fielen herunter; seine Beine schwangen wild über dem Kopf. »Ich brauche nur das Übernachtungsgeld, Dom. Dies wird schon reichen.«
Ich hob drei Silber-Khans auf, biß hinein und steckte sie weg.
Er drehte sich wieder und landete mit einem Plumps auf den Beinen. Sein Gesicht war durch das gestaute Blut im Licht der Monde rot angelaufen.
»Was ...?« fing er an.
»Sag Kei-Wo einfach, er soll mir die kleine Summe anschreiben.«
Er glotzte ungläubig, aber ich drehte ihn um, gab ihm einen ordentlichen Tritt in die Kehrseite und ließ ihn forttaumeln. Ich wünschte ihm noch eine angenehme Nacht und schlenderte dann auf der Suche nach einer vernünftigen Unterkunft in die andere Richtung weiter.
Auf jeden Fall fand ich bald eine annehmbare Bleibe und feilschte um ein Bett für die Nacht. Ich hatte keine Lust, die teureren Gasthöfe aufzusuchen, die für die Besucher der Stadt etwas bieten. Die Schlafstelle war sauber, für eine Mahlzeit wurde gesorgt, und ich wurde nicht von Strauchdieben gestört, die tragbare Besitztümer suchten, die sie als ihre eigenen beanspruchen konnten. Als ich das ausgiebige Frühstück beendet hatte, fühlte ich mich wirklich wie ein neuer Mensch oder – zumindest nach den Ereignissen des vorangegangenen Abends – wie ein etwas weniger beschädigter.
Die Zwillingssonnen von Scorpio, Luz und Walig, badeten die Stadt in ihrem vermischten buntschillernden Licht, als ich, noch an der letzten Paline kauend, die Straße betrat. Mein Beschatter war deutlich sichtbar; ein Bursche, der gegenüber auf der anderen Seite herumlungerte und sich mit einem Hölzchen in den Zähnen herumstocherte. Ich winkte ihm nicht zu. Ich ging einfach in Richtung Palast los.
Die Annahme, daß dieser Mann der sichtbare Verfolger war und die Schatten mit anderen Dieben angefüllt waren, die jede meiner Bewegungen beobachteten, war vermutlich richtig. Sie hatten offenbar völliges Vertrauen in ihre Fähigkeiten und ließen mich gehen. Ohne mein Wissen über Verkleidungen wäre es enorm schwierig geworden, einer Entdeckung zu entgehen.
Einfach zum Haupttor des Palastes gehen? Nun, ja. Diese Methode wäre wahrscheinlich die beste.
Also tat ich es.
Reich geschmückte und allzu herausgeputzte Wachen standen hölzern vor den offenen Torflügeln. Viele Leute drängten sich hinein und heraus, und ich erfuhr aus den lauten Äußerungen ihrer Hoffnungen und Ängste, daß die Schiedsgerichte tagten. Der Königliche Palast diente als Ort der Rechtsprechung. Ich gewann den Eindruck, daß die Leute sich nicht einig darüber waren, ob es gut oder schlecht war, wenn die Königin persönlich über sie urteilte. Sie war gerecht, aber streng. Es gab keine Möglichkeit, sie zu bestechen, wie es bedauerlicherweise bei den niedrigeren Magistraten der Fall war. Der Lärm und der beißende Geruch des Staubs, das schweißnasse Glitzern auf Stirn und Wangen: diesen Anblick und diese Gerüche gab es schon so lange, wie Menschen Städte bauten und Zivilisationen gründeten.
Die äußeren Gänge und Gemächer waren dazu ausersehen, Eindruck zu machen. Hier wurden Leute von Lakaien in die Schiedssäle geführt, wohin ihre Anwesenheit befohlen worden war. Ich ging geradeaus los, und der erste Lakai, der mich anhielt, prächtig anzusehen in seinem gelben Gewand, das viel mit Silber durchwirktes Zwirn zeigte, beantwortete meine Frage.
»Lord Wink? Aber sicher, Walfger. Du findest ihn in den Gemächern der Schwelgerischen Ruhe – den alten Chemzitegemächern. Geh durch diesen Korridor zu den Stufen und durch den dahinterliegenden Hof.« Er gab mir Anweisungen, und ich suchte mir problemlos den Weg durch das Gewirr des Palastes. Ich erkannte die letzte Gruppe von Hallen und Korridoren wieder. Hier hatte ich Wink eilig
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