4 Meister-Psychos
sie gar nicht hier ist?«
Ich dachte nach und nickte.
»Das könnte sein. Natürlich. Es kann auch woanders passiert sein. Für uns wär’s
fast besser.«
Sie war aber da. Sie war aber
da. Sie lag im Bad, ohne Kopf, wie erwartet. Allerhand Blut war herumgeflossen,
wie erwartet. Sie trug einen Morgenmantel, Chiffon oder so was, halsferner
Kragen, und ihr Hals hörte plötzlich auf darin.
Ich stand still. Tessa
schluckte.
Neben Mara lag ein blutiges
Küchenmesser mit einer schön geschwungenen Klinge auf den Kacheln. Solingen
vermutlich. Der Morgenrock war über der Brust durchstoßen. Das Blut hatte sich
in die Seide gesaugt. Ein Orden des Todes.
»Stich ins Herz«, sagte ich
leise. Meine Stimme klang hohl zwischen den Kachelwänden. »Hinterher der Kopf.«
»Warum? Warum der Kopf? Sie war
doch schon tot!«
»Ich weiß nicht, Tessa.«
Tessa war in Ordnung. Sie faßte
nichts an. Sie nahm sich zusammen.
In der Küche war nichts
Besonderes. Eine Kaffeetasse stand im Spülbecken, ein Teller und ein Eierbecher
mit Löffel. Zum Abwaschen war sie nicht mehr gekommen, ganz gegen ihre
Gewohnheit.
Im Wohnzimmer war Ordnung. Die
Schreibmaschine stand auf dem zierlichen Schreibtisch in der Nähe des linken
Fensters. Sie war zugedeckt. Sonst schien alles an seinem Platz.
Mara hatte neben ihrem
Wohnzimmer eine Art Bar mit Sesseln, Fernsehtruhe mit allem Inventar. Sie hatte
immer gern Besuch gehabt, viele Leute eingeladen und niemanden zum Heiraten
gefunden. Na, damit war es sowieso aus.
Alles war aufgeräumt. Keine
Gläser standen herum, die Aschenbecher waren leer. Nichts von Party.
»Der scheint abends gekommen zu
sein.«
»Ja.«
Die Tür zum Schlafzimmer war
geschlossen.«
»Moment. Nicht anfassen.
Taschentuch.« Ich wickelte es um meine Finger und drückte die Klinke herunter.
»Das hätten wir schon an der Korridortür machen müssen.«
Maras Bett war aufgeschlagen.
Ein Fenster stand auf. Es war schon so. Mara war aufgestanden, hatte den
Morgenrock angezogen und denjenigen hereingelassen, dem sie ihren Tod
verdankte. Heiterer Abend.
»Genug gesehen?«
»Ja.«
»Willst du dich setzen?«
»Ja.«
Wir gingen zurück ins
Wohnzimmer. Ich schloß die Tür hinter mir mit meiner Taschentuchhand. Wir
setzten uns einander gegenüber auf die Stuhlkanten. Tessa deutete auf das
Bücherregal. Schleiflack. Allerhand Anspruchsvolles stand herum, aber eine
Reihe Krimis dazwischen mit grimmigen Rückentiteln. »Da stand er. ›Der Rächer‹.
Da hat sie ihn rausgeholt.«
»Ich weiß nicht, ob das viel
weiterhilft.«
Eigensinniges Kopf schütteln.
»Das Buch hat jemand auf die Idee gebracht. Nur das Buch!«
»Also dich, was?«
»Quatsch«, sagte sie leise. Sie
schien sich an meine Rederei gewöhnt zu haben. »Wer weiß, wo es schon überall
rumgekommen ist.«
»Natürlich. Außerdem ist es
ziemlich bekannt. Den Gag kennt ein Haufen Leute. Gut. Stoßen wir die Polizei
darauf.« Ich sah mich nochmals um. »Nach Raubmord sieht das jedenfalls nicht
aus. Raubmörder haben’s eilig. Zeit ist Geld. Die erledigen dich geschwind und
nehmen Geld und Schmuck und so was mit. Keine Köpfe. Schwer verkäuflich. Hat
sie etwas Wertvolles hier gehabt?«
»Ja. Sie hat eine Schatulle —
eine Art tragbaren Tresor.«
»Wo steht die?«
»Schlafzimmer. Kleiderschrank.«
»So. Gültige Zahlungsmittel?«
»Auch. Oft allerhand. Sie
zahlte viel mit Scheck, aber sie hatte immer was da.«
»Ich finde, wir lassen lieber
die Mordkommission danach wühlen. Wollen wir noch was besprechen, Tessa, oder
soll ich jetzt anrufen?«
»Warum hast du es bloß so eilig
damit?«
»Weil die Polizei uns einen
Höllenspuk macht, wenn wir nicht bald was veranlassen«, sagte ich ungeduldig
und laut. »Was glaubst du denn, was wir machen sollen? Annoncieren? ›Mörder
gesucht? Erbitten Meldung gegen Belohnung? Nadel und Faden zum Wiederannähen
des Kopfes vorhanden‹?«
»Ich bemerke viel Herz an dir«,
antwortete sie kalt.
»Und ich wenig Verstand an dir!
Sieht fast so aus, als wolltest du dem Herrn oder der Dame Vorsprung lassen,
damit er kräftigen Abstand gewinnt. Mit dem Paket hast du auch getrödelt wie
ein Schulkind auf dem Heimweg.«
Ihre Augen waren sehr groß. »So
drehst du das?«
Ich beugte mich vor sie hin.
»So dreht es die Polizei! Was glaubst du, was die noch für Löcher...« Ich sah,
daß sie weinte, hörte auf und nahm ihren Kopf in meine Ellenbeuge. Sie blieb
dort, streichelte meinen Unterarm. »Wir wollen uns nicht verrückt
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