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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Mensch, kein Tier konnte furchtbarer
schreien.
    Ihre Stimme brach schnell ab.
Es schlürfte draußen, polterte. Einer der Schemel war umgefallen. Ich hörte
hinterher einen weichen, dumpfen Fall. Ein Körper fiel hin: Tessas Körper.
    Alles war ganz still. Nur der
Schrei hallte in meinen Ohren weiter. Ich hielt immer noch die Büchse, sah die
Gänsehaut auf meinem Unterarm. Sie kroch weiter, überallhin. Auch die
Achselhöhlen wurden langsam naß. Zuerst kam ein flüchtiger Gedanke, wer außer
mir den Schrei noch gehört haben könnte. Die Balkontür war zu, wegen der Hitze
draußen. Massives Haus, keine Pappschachtel von neureichen Kapitalanlegern.
Außerdem war es völlig gleichgültig.
    »Tessa!« rief ich. Nichts.
    Ob sie in das Messer gefallen
ist?
    Ich stand mit einem Ruck auf,
ging vor zur Küche, drei Meter oder vier.
    In dem Gang zwischen Herd,
Kühlschrank und dem Küchentisch auf der anderen Seite lag Tessa auf dem
Gesicht.
    Sie hatte die Knie seitlich
angezogen, als wäre sie tatsächlich langsam umgesunken und abgerollt, als wäre
sie im Fallen noch bei Bewußtsein gewesen und hätte sich gewehrt gegen die
Finsternis. Der linke Arm lag vorn neben dem Kopf, der rechte war seitlich
weggestreckt.
    Ich ging auf die Knie, hielt
meinen Kopf neben ihren. Ihr Haar war weich und frisch wie immer.
    »Tessa?«
    Sie blieb still. Ich faßte ans
linke Handgelenk. Der Puls klopfte sanft und langsam gegen meine Fingerspitzen.
Tessas Herz schlug. Ihr Atem wehte sanft gegen meine Haut. Sie würde zu sich kommen,
bestimmt. Das Wichtigste zuerst. Ich faßte sie unter den Achselhöhlen. Es
dauerte geraume Zeit, bis ich sie auf den Armen hatte. Ihr Kopf hing
hintenüber, ich konnte ihn schlecht stützen. Als ich sie auf ihr Bett legte,
war ich überall naß vom Schweiß. Sie atmete, ihr Puls ging, aber sie war immer
noch weg. Blaß und schön. Ich deckte sie zu. Zu lockern war nicht viel.
    Dann war ich wieder in der
Küche. Der Pappwürfel stand da, aufgerissen mit Tessas fröhlicher Ungeduld.
    Ich sah in das Paket.
    Meine Augen nahmen einen
Plastikbeutel wahr. Dann trafen sie auf die Augen eines Menschen. Auf gerissen,
starr. Weiße Haut, langes, dunkles Haar. Ein blutiger Halsstumpf.
    Der Kopf eines Mädchens.
    Kein Wachs, kein Witz.
Abgetrennt und tot.
    Der Kopf ihrer Schwester Mara.
    Ich fand mich auf dem
Küchenschemel, den ich wieder aufgehoben hatte, dort, wo Tessa gelegen hatte.
Neben dem toten Kopf. Ein paar Augenblicke hatte ich gespürt, wie das Blut im
Gehirn weniger geworden war. Leichte Schwäche. Ich hatte gedacht, mir könnte
das nicht passieren. Irrtum.
    Im Tiefkühlfach stand die
Ginflasche. Ich stellte sie oben auf den Kühlschrank. Sie beschlug eisig,
während ich ein Glas aus dem Wandschrank nahm. Der Gin war reiner Frost. Ich
trank langsam. Man konnte dabei nachdenken. Nach dem dritten Gin stellte ich
mich vor das Paket und sah Mara an.
    Postpaket. Frischhaltebeutel.
    Sie hatte sich ewig geärgert
über irgend etwas. Konnte nicht leben, ohne zu klatschen oder jemanden
schlechtzumachen. Genau das Gegenteil von Tessa, die sich um nichts und
niemanden scherte. Jetzt konnte Mara nicht mehr klatschen und sich nicht mehr
ärgern. Sie hatte deswegen verkniffene Züge gehabt, kein Lachen brachte das
mehr weg, auch jetzt sah man es noch. Aber das tote Gesicht war etwas
entspannter, und da glich sie ihrer Schwester mehr.
    Ihr Kopf war säuberlich
abgetrennt und mit der Post an Tessa geschickt worden. Soweit der Tatbestand.
Ich trank den vierten Gin und überlegte, was das für Ärger nach sich ziehen
würde. Langsam kam mir die Küche vor wie ein Leichenschauhaus. Hier war nichts
mehr zu tun. Ich stand auf. Einen Blick warf ich noch auf Maras Kopf, sah ihre
Augen und bekam Furcht, aber nur für einen kurzen Moment.

II
     
     
    Ich nahm die Flasche und zwei
Gläser und verließ die Küche, setzte mich auf den Hocker neben Tessas Bett und
wartete. So munter, wie sie sonst war, so fertig war sie jetzt. Man hätte
versuchen können, sie wach zu kriegen, schütteln, Eau de Cologne, irgendwas.
Mir war lieber, wenn sie schlief. Ob man diesen Herrn Scharfrichter finden
würde? Eine Angelegenheit für Schere oder Papier. Die Minuten wanderten langsam
wie der Strich auf der Sonnenuhr. Tessa atmete tiefer und seufzte. Vielleicht
träumte sie was Nettes. Und mit dem Erwachen würde der Schreck wiederkommen und
das Entsetzen. Ich ging rasch und leise hinaus, an Küche und Kopf vorbei zum
Bad und holte die Flasche mit den

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