4 Meister-Psychos
Keine. Gegen eine Phalanx soll ich
anrennen. Phalanx. Dein Vater und Ron. Schaffe ich nie.«
»Ron hat gar nichts zu sagen.
Mara ist tot, die war gefährlicher. Meinen Vater übernehme ich. Der macht, was
ich will.«
»Der wird sieben Teufel tun«,
murmelte ich und trank.
Tessa kam hoch. Sie nahm mir
das Glas weg. Ihre Hände hielten meinen Hals wie eine Galgenschlinge. »Hör mir
zu! Du brauchst nur zu meinem Vater zu gehen. Alles andere mache ich. Nur
hingehen mußt du.«
»Der schmeißt mich schneller
raus als einen Hausierer.« Ich streichelte sie überall, wo ich konnte. »Und
dich mit. Ohne Geld. Ist rührend von dir, mich mit Gewalt zum Herrn
Strong-Waldau machen zu wollen. Aber wenn ich er wäre — ich würde uns beide
rausfeuern, mein Geld behalten und auf meine Jüngstgeborene verzichten. Ich
hab’ eure werte Familie kennengelernt. Der Vater kann nicht wesentlich anders
sein als die Kinder. Der lacht sich tot, wenn endlich ein anderer für dich
bezahlen muß,«
Sie warf sich wieder hin. Das
Bett krachte. »Mit Geld nimmst du mich. Ohne nicht.«
»Paß auf, Gute. Es ist besser so.
Mir geht es gut. Dir auch. Wozu in aller Welt soll ich mich jetzt noch mit
deinem Vater anlegen? Irgendwann stirbt er, Gott sei davor, aber er wird nicht
anders können. Dann ist immer noch Zeit...«
»Für mich nicht«, schrie Tessa.
»Ich will jetzt verheiratet sein und nicht in zwanzig Jahren! Wann kapierst du
das endlich?«
Ihre Tränen kamen schnell wie
ein Springbrunnen. Ich nahm ihr Gesicht an mein Hemd. Es war alles egal, es war
nur schön, so was zu haben.
»Paul«, sagte sie »laß uns
spielen.«
»Spielen?«
»Scissors cut paper. Schere
oder Papier. Wenn ich gewinne, gehst du zu Vater und fragst. Nur fragen. Wenn
du gewinnst, brauchst du nicht zu gehen.«
»Bis zum nächsten Spiel, was?«
»Mach mit. Bitte.«
Ich verlor, weil ich verlieren
wollte. Meine zwei Finger schnitten in ihre Hand. Eins für mich. Ich wußte, daß
sie beim zweitenmal meine Hand beibehielt. Tessa sah mir ins Gesicht, mit
beiden Augen in mein rechtes. Eine geheime Verschwörung nahm von uns Besitz. Es
war einfach meine Pflicht, den Stein zu nehmen und meine Hand einwickeln zu
lassen. Gleichstand.
Eins, zwei, drei. Ich schnipste
die zwei Finger heraus, und Tessas Faust schlug sie herunter.
»Da haben wir’s«, sagte ich.
»Paul Holland auf Freiersfüßen. Was zieht man denn da an?«
»Dunkel genügt in diesem Fall.«
»Paar Beruhigungspillen werde
ich auch brauchen. Es ist mein erster Gang in diese Richtung.«
Sie begann zu lachen. »Ach,
wird das komisch werden!«
»Für dich. Wartest du draußen?«
»Natürlich. Ich muß doch sehen,
wie du herausgeflogen kommst.«
»So. Ich glaube, nur deswegen
schickst du mich hinein. Roll wenigstens draußen einen Teppich auseinander.«
»Komm, hole noch was. Wir
können Verlobung feiern.«
»Bist du praktisch veranlagt.«
»Etwa nicht? Wenn man sich
entschließt, um ein Mädchen zu bitten, muß man doch verlobt sein.«
Sie hängte sich an meinen Hals.
Ich goß noch eine Ladung Daiquiri zusammen. Die zweite Hälfte davon tranken wir
im Liegen. Es wurde schnell warm unter der Decke. Ich fand, daß ich gar nicht
so müde war. Die Zitronen wirkten segensreich in meinem Kopf. Der Nachtwind
spielte mit den Gardinen, er war frisch. Kein Geräusch kam aus der Stadt, und
auch das Haus war still wie eine Totenkammer, zu still fast für unsere Atemzüge
und zärtlichen Worte.
»Hörst du was?« fragte Tessa.
Sie hatte den Kopf etwas
hochgehoben. Ich tat das gleiche. »Ja. Da kommt einer im Laufschritt. Wird
minderjährig sein.«
Die Schritte waren hastig, aber
ungleichmäßig, als stolperte der Laufende mit weichen Knien. Besoffen.
Etwas fiel dumpf gegen unsere Tür.
Ausgerechnet gegen unsere. Der Atem hechelte am Holz. Ein paar Hände
trommelten, aber sie waren schlaff und weich. Der Körper schien tiefer zu
rutschen.
»Was, in aller Welt...«, begann
ich.
Das Wesen draußen hatte auch
eine Stimme. Halbersticktes Gestammel hallte im Gang wie eine Predigt durch ein
Kirchenschiff.
»Macht — macht auf! Aufmachen!
Reinlassen!«
»Mabel, was?«
»Ja«, flüsterte Tessa. »Das
klingt fast, als wäre jemand hinter ihr her.«
Draußen wimmerte es und
schluchzte. Das Holz dröhnte. Ausgerechnet an unserer Tür. Man kann eine Weile
Lärm machen in einem Londoner Appartementhaus. Die Grenze bis zum Ärger liegt
hoch. »Hol sie, bevor sie den Flur vollkotzt!«
Ich drehte den Schalter und
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