4 Meister-Psychos
du, wie es passiert
ist?«
»Er ist erstickt, das scheint
sicher. Entweder von selber, weil er besoffen war. Oder es hat jemand etwas
nachgeholfen.«
»Wie?«
Ich deutete auf das große
Kopfkissen. Ronalds Kopf lag auf der rechten Hälfte und beulte sie ein. »Man
brauchte das Ding nur umzuklappen und auf sein Gesicht zu pressen, genügend
lange. Es muß aber nicht das Kissen gewesen sein, jeder andere Stoff tut es
auch.«
Tessa warf ihren Kopf herum.
»Er ist nicht von selbst erstickt. Genausowenig, wie Mara sich selbst
umgebracht hat.«
»Bei Mara ist allerdings kein
Zweifel. Die Gerichtsdoktoren werden es rausknobeln. Bei Toten sind die enorm
gut. Lebende zu behandeln liegt ihnen weniger.«
Tessa fing an zu weinen. Sie
schluchzte nicht und zuckte nur. Nur Tränen liefen in gleichmäßigem Abstand
über ihre Wangen. »An seinem Geburtstag. Ich hab’ ihn nicht leiden können, nie.
An seinem Geburtstag — das war nicht nötig.«
»Es wäre an jedem anderen Tag
gleich unangenehm gewesen.«
Tessa ging drei Schritte auf
das Bett zu. Einen Augenblick blieb sie aufgerichtet stehen. Dann bückte sie
sich schnell. Ihre Lippen berührten die Wange des toten Ronald sanft wie eine
schwebende Feder. Sie kam hoch, bevor Tränen auf sein Gesicht fallen konnten.
»Lippenabdrücke machen doch nichts, oder?«
»Ich glaube nicht.«
Sie ging an mir vorbei. Für ein
paar Sekunden blieb ich noch und betrachtete Ronald und das Bett und das
Kissen. Als ich nach vorn ins Wohnzimmer kam, saß Tessa auf ihrem Platz. Der
Kamin warf glimmende Hitze, aber trotzdem blieb es kalt um uns.
»Paul!«
»Ja?«
»Wer kann das gewesen sein?«
»Wenn es Mord war...«
»Es war Mord.«
»Hm. Also wenn es Mord war,
jeder. Jeder, der noch hier war, nachdem wir Ronald in sein Zimmer geschleppt
hatten. Sie sind kreuz und quer gelaufen wie eine Schulklasse in der großen
Pause. Jack, David, Mabel, du, ich — jeder hatte Gelegenheit. Aber wir wissen
nicht, ob es Mord ist. Es kann genausogut...«
»Quatsch. Es ist jemand hinter
uns her. Ich bin die nächste.«
Ich hob den Kopf hoch. »Das ist
bestimmt Quatsch. So leicht ist es nicht, einen Krimi zu konstruieren.«
»Ich weiß auch, wer«, sagte
Tessa. Kalt, eigensinnig und mit Haß.
»Wer?«
»Vater.«
»Dein Vater?«
»Ja. Oder die Frau, die ihn
heiraten will.«
»Guter Gott. Also auf die Idee
wäre ich in hundert Jahren nicht gekommen. Er setzt euch in die Welt unter
einigen Anstrengungen, päppelt euch groß, steckt euch Geld hinten und vor
hinein, und auf einmal sagt er, pardon, Irrtum gewesen, die müssen wieder weg,
was wollte ich eigentlich damit...«
»Du bist dumm! Phantasielos und
dumm wie deine Geschichten! Es ist sonnenklar! Schon bei Mara hätte ich darauf
kommen müssen. Er will wieder heiraten und uns loswerden.«
»Kennst du die Frau?«
»Ich hab’ sie gesehen. Eine
geldgierige Hure mit gelifteter Fassade. Sie macht mit ihm, was sie will.«
»Schön, schön«, sagte ich
begütigend. »Aber deswegen muß er euch nicht ermorden. Sie kriegt so und so
eine Menge, wenn er das Zeitliche segnet, und wegen eures Pflichtteils sich auf
so was einzulassen... Nee, das klingt zu sehr nach Brüder Grimm. Die teuflische
Stiefmutter, die unschuldigen Kindlein und der entmenschte Vater. Und wenn sie
nicht gestorben sind...«
»Sie sind aber gestorben«,
sagte Tessa. Der rote Schein der Spiralen lag auf ihrem Gesicht. »Er hat sich
nie um uns gekümmert. Nur an sich gedacht. Ich weiß, ich bin genauso. Mara und
Ron waren es auch. Das bißchen Geld hat ihm nicht weh getan. Aber jetzt hat er
diese Frau, die verzichtet auf nichts. Auf nichts.«
»Hat sie Kinder?«
»Ich weiß nicht. Kann sein.
Wahrscheinlich.«
Ich drehte meine Oberlippe
zwischen den Fingern. »Na ja. Ich will nicht dagegen sein, nur weil es mein
Einfall nicht wahr. Er kann zwar nichts mitnehmen, aber die Liebe zum Besitz
wächst im Alter. Ein Weib kann einen alten Witwer ganz schön auf Touren
bringen. Noch dazu, wenn sie ein Profi gewesen sein sollte. Alte Narren sind
die schlimmsten. Andererseits war er nicht in der Nähe. Weder in München noch
hier. Von einer Frau mit Lift im Gesicht habe ich auch nichts wahrgenommen...«
»Stell dich nicht so
schwerfällig! Sie haben jemand angestiftet. Mit Geld ist alles zu machen.
Entweder sie beide zusammen, oder sie macht es allein, während er in Amerika
ist. Siehst du das nicht?« Tessa packte und schüttelte mich. »Das kann man doch
mit den Händen
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