4 Meister-Psychos
wenn ich auch anfange zu fliegen?«
»Das wäre natürlich fatal.
Niemand mehr da, den ich heiraten könnte. Aber ich werde dir deine Flügel
zusammenbinden. Du gehst eine Stunde vor der Teezeit hin, redest mit Papa, dann
machst du den Tee. Wenn sie dich nicht lassen, sind wir die Dummen.«
»Und wenn ich süchtig werde?«
»Das muß nicht passieren. Es
gibt Leute, die probieren es einmal und nicht wieder. Ich hatte auch kein Verlangen.
Na ja — und — ganz normal sind wir sowieso nicht.«
»Nein«, sagte Tessa langsam, »es
sieht nicht so aus.«
Ich zog sie an ihrer Schulter
vom Hocker, und sie rollte neben mich. »Sieh mal, Tessa — du glaubst doch, er
hat Mara und Ron umbringen lassen. Mord. Was wir machen, kann man nicht als
Mord bezeichnen. Wir pfeifen nur das Spiel an und überlassen den Rest dem
lieben Gott. Wenn der nicht mitspielt, können wir uns immer noch überlegen, ob
wir weitermachen oder Gewissensbisse kriegen sollen. Und schließlich ist es
eine Art von Vergeltung. Wenn sie ihn schnappen wegen Mara und Ron, muß er ja
auch in irgendeiner Zelle verfaulen. Da ist unsere Methode viel humaner.«
Tessa küßte mich. »Okay, Mister
LSD. Hol das Zeug morgen. Ich mache den Tee, oder ich schmiere es ihnen auf den
Toast. Und jetzt schlafen wir.«
»Muß es sofort sein?« fragte
ich sie.
»Sofort nicht.«
X
Der nächste Tag war Samstag,
der vierundzwanzigste Juli. Wir hatten zu tun. Ich hörte Tessa telefonieren und
amüsierte mich. Sie lud sich ein für Sonntag nachmittag. Sie bat um eine
Aussprache, wegen Ron, wegen der Polizei, wegen mir und überhaupt. Sie war
willkommen. Ich grinste, ging zum Fahrstuhl und fuhr hinunter.
Der Lieferant hieß Lesley
Thorndyke und wohnte in der Tryon Street. Ein Grafiker ohne viele Aufträge. Er
veranstaltete recht regelmäßige Sitzungen mit LSD. Ich fragte nichts und er
mich auch nicht. Ich nahm acht Blättchen mit je zweihundertfünfzig Mikrogramm,
zahlte mit Tessas Geld und trank einen Gin mit Lesley. Dann ging ich, und er
malte weiter an seinen Werken.
Am Sonntag war Tessa hart und
kalt wie ein treibender Eisberg. Sie zog sich an und nahm sich viel Zeit für
das Make-up.
»Hast du schon eine Idee, wie
du an die Zubereitung des Tees gelangst?« fragte ich ins Bad hinein.
»Ich gelange.«
»Gott segne deinen Optimismus.
Wenn es tatsächlich Whisky geben sollte, versuch es damit. Möglicherweise
lassen sie dich eher mixen als Tee kochen. In jedes Glas vier Blättchen, außer
in deins. Das sind tausend Mikro, und wenn nicht alles in den Sprit übergeht,
reicht es immer noch dick. Außerdem fördert der Alkohol die Resorption und Bekömmlichkeit.
Die Blättchen müssen nur genügend lange im Whisky schwimmen, bevor Wasser oder
Sada dazukommt. Und du mußt dich geschwind aus dem Staub machen, wenn sie ihr
Glas zu sich genommen haben.«
»Tee oder Whisky — das ist hier
die Frage.«
»Ja. Aber Alkohol wäre besser.
Größere Konzentration. Und ich habe hier kein Theater mit dir und brauche dich
nicht voll Zucker zu füllen. Es sei denn, du erwischst das falsche Glas.«
»Unke mir nicht die Ohren
voll.«
Um halb vier Uhr ging sie.
»Good luck«, sagte ich an der
Tür.
»Paul!«
»Ja?«
»Wenn es nicht gutgeht? Wenn
sie mich erwischen?«
»Es geht gut. Paß auf, wir
spielen. Wenn ich gewinne, geht es gut.«
Wir spielten Schere oder
Papier. Ich gewann.
»Noch etwas, Paul. Wenn die
Whiskytour funktioniert — soll ich der Calhoun dann auch was geben? Genügt
nicht er allein?«
»Tja«, antwortete ich langsam,
»das wäre zu überlegen. Einerseits ist die Vorstellung vom gemeinsamen Tod des
Liebespaares ganz reizvoll. Wir sind die Dame los, und sie kann nichts mehr
erben. Aber er kann ihr auch schon was vermacht haben, ohne daß sie seine Frau
ist. Und wenn er sich, so Gott will, etwas antun sollte und sie nicht, dann
könnte sie eher in Verdacht kommen, bei dem Selbstmord mitgewirkt zu haben,
falls er nicht ganz einwandfrei aussieht. Wenn aber beide überleben und
hinterher schildern, wie ihnen zumute war, fällt der Verdacht mühelos auf dich.
Ebenso wenn nur sie oder er überlebt. Nach allem halte ich für besser, du
behandelst nur den alten Herrn. Es sei denn, es gibt Tee.«
»Ich glaube es auch«, sagte
Tessa. »Wenn sie bei Ron und Mara mitgeholfen hat, würde ich ihr allerdings
gönnen, aus dem vierten Stock zu fallen. Besser noch aus dem zwölften.«
»Papa ist wichtiger für uns.
Konzentriere dich auf den, da hast du genug zu tun.
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