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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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erzittern und nahm kein Ende. Ich wachte auf. Die Schule
war weg, aber die Glocke blieb.
    Telefon.
    Mein Mund klebte. Ich tastete
nach dem Krug und trank endlos.
    »Ich auch«, sagte Tessa.
    Der Zitronensaft gluckerte.
Immer weiter störte der Apparat.
    Dann hob ich ab.
    »Holland.«
    »Miß Strong, bitte«, sagte
Richardson.
    »Mister Richardson«, erwiderte
ich voll Würde, Alkohol und Rachsucht, »Miß Strong ist in diesem Hause nicht
für Sie zu sprechen. Noch dazu um diese Zeit. Ich habe die Ehre, Ihnen eine
gute Nacht zu wünschen.«
    Am anderen Ende schluckte
Richardson. »Mister Holland — seien Sie versichert, daß ich nicht anrufe, um
Ihre Stimme zu hören. Ich habe die Pflicht, Miß Strong zu sprechen. Mister
Strong ist verunglückt.«
    »Was?« rief ich. »Wie
entsetzlich! Einen Augenblick. Ich werde Miß Strong wecken.«
    Tessa stand schon neben mir.
Ich hielt den Hörer zu und nickte.
    »Moment noch«, flüsterte ich,
»sieht nach Erfolg aus. Sei verschlafen und zeig dann Erschütterung.«
    Tessa machte das ausgezeichnet.
Sie meldete sich gähnend und lauschte. Dann ging es los. »Was — was ist? Reden
Sie schon, Mann... Was? Sind Sie verrückt, Richardson? Machen Sie dämliche
Witze mit mir...« Übergang von Geschrei zu Stöhnen. »Nein — nein, das ist nicht
wahr... Nein!«
    Ihr Gesicht geriet in
Verzweiflung. Das hätte sie sich sparen können. Ich schob ihr einen Stuhl hin,
rang etwas die Hände. Tessa sank auf den Sitz und grinste.
    »Ist er — er ist...« Stimme
tonlos.
    Jesus. Der bunte Roman für die
Hausfrau.
    »Und — wann — wann ist das
passiert?« Sie hörte zu. »Vor einer Stunde — ja.«
    Richardson erzählte noch etwas
weiter. Tessa deutete auf die Zigarettenschachtel. Ich kramte eine Zigarette
heraus und zündete sie an.
    »Gut, Richardson.« Tessas
Stimme drohte zu ersterben. »Ich komme. Danke, Richardson.«
    Ich gab ihr die Zigarette. »Ein
Wunder, daß du den Hörer noch auf die Gabel gebracht hast.«
    »Wie war ich?«
    »Für eine Wanderbühne in
Liverpool hätte es gerade gereicht.«
    »Du bist frech und ungerecht,
Paul Holland!«
    »Für Richardson hat es
gereicht. Nun?«
    Tessa zog und stieß den Rauch
aus. »Tot«, sagte sie sachlich. »Mausetot. Zur Dinnerzeit fing er an, sich
merkwürdig zu benehmen. Lief im Hause herum. Trank literweise Whisky. Nahm eine
Flasche mit und schloß sich in seinem Zimmer ein. Sie hörten ihn lachen und
sprechen. Es soll geklungen haben, als wären zwei Personen im Zimmer gewesen.«
    »Das soll es geben.
Doppelbewußtsein. Du bist gleichzeitig normal und verrückt. Der Normale sieht
den Verrückten und spricht mit ihm. Und?«
    »Der läßt niemanden mehr
umbringen«, sagte Tessa. Alle Eiseskälte, die in ihr war, lag in der Stimme.
»Geflogen ist er zwar nicht. Vor einer Stunde hat er sich erschossen.«
    »Eins zu neunundneunzig«,
murmelte ich nach einer Weile. »Neunundneunzig zu eins. Armes Waisenkind.«
    »Es hat geklappt, Paul.«
    »Es hat geklappt. Und kein
Mensch war bei ihm und hat ihm die Büchse gespannt. Ein Selbstmord, wie er seit
Hitler nicht da war. Kein Schatten von Verdacht fällt auf dich. Im Gegenteil.
Man wird glauben, er hätte es getan aus Furcht davor, daß sie ihm wegen Mara
und Ron auf der Spur sind.«
    »Vielleicht ist es so.«
    »Ich glaube es beinahe auch
schon«, sagte ich.
    Tessa kam zu mir, umklammerte
meine Knie und schielte von unten herauf. »Bäh, Paul Holland — jetzt mußt du
mich heiraten.«
    »Ich sehe das Verhängnis auf
mich zukommen. Aber scher dich erst mal an die Bahre und weine bitterlich. Es
wird eine Menge zu tun geben in den nächsten Tagen. Viele Wege. Viele Sitzungen
beim Rechtsanwalt. Und die Beerdigung auch noch. Mein schwarzer Anzug fängt
schon an zu glänzen.«
    »Fürs Standesamt geht er noch.«
    Tessa stand auf und reckte
gähnend die Arme. Ich wechselte vom Stuhl hinüber aufs Bett. »Was soll denn
das?«
    »Was das soll? Ich bette mich
zurück zur Ruhe. Bedarf ihrer dringend. Diese Aufregung kann in meinem Alter
verheerende Folgen haben.«
    »Du willst mich allein hingehen
lassen?«
    »Warum nicht? Ich bin ein
Outsider, hab’ nichts zu tun mit der Sache. Und Richardson wird...«
    »Mit mir hast du zu tun. Und
Richardson wird gar nichts. Sonst ist er vor dem Ersten schon draußen.«
    Seufzend erhob ich mich wieder.
    Wir fanden ein Taxi. Es hatte
sachte zu regnen begonnen, und das Pflaster glitzerte trüb in den leeren
Straßen. Ich wies hinaus. »Typisches Selbstmordwetter. Kein

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