4 Meister-Psychos
So ungefähr. Und dieses
Nahrungsmittel zaubert eine abendfüllende Mischung von beidem in dein
Bewußtsein zum Gotterbarmen. Du glaubst zu fliegen und bist gleichzeitig die
Erdkugel, über die du hinflatterst. Du gehst unten auf der Straße und siehst
dich oben aus dem Fenster gucken. Und umgekehrt. Und so weiter.«
»Und was hilft uns das?«
»Es ist auch vorgekommen, daß
die Leute gedacht haben, sie könnten fliegen. Haben den Dachfirst bestiegen und
sind gestartet. Die Angehörigen mußten sie dann identifizieren. War teilweise
schwierig, weil sie ausgesehen haben wie die Flundern. Man mußte sie statt im
Sarg zwischen zwei alten Stalltüren begraben.«
»Wie sinnig.«
»Noch was. Neigungen zum
Selbstmord können gefördert werden. Wer jemals die geringste Idee hatte, sich
selbst aus dem Weg zu räumen und es nicht getan hat aus Angst vor dem Schmerz
oder vor der Hölle, dem fehlt die Angst auf einmal. Er meint, so schlimm könnte
es doch gar nicht sein. Frohgemut greift er zur Waffe. Es soll sogar passiert
sein, daß Todessehnsucht und Flugbedürfnis zusammengekommen sind.
Ausgangsstellung Fensterbrett. Die Arme sind Flügel, werden ausgebreitet. Ein
Blick zum Himmel, letztes Lächeln des Mondes, kann auch die Sonne sein, je nach
Tageszeit. Dann startet man und fliegt. Volare, hoho, cantare, hohohoho.«
Tessa fragte über ihr Glas
hinweg: »Hast du dieses Zeug eigentlich schon mal probiert, dieses LSD?«
»Ja. Hier in London, an der
Quelle des Bezugs. Allerdings mit Minimaldosis.«
Tessa schwieg.
»Es ist ein Versuch, der nichts
kostet, mein Liebling. Abgesehen von den paar Pfund für das Zeug. So viel müßte
dir die Erbschaft eigentlich wert sein. Wenn er nur ein paar süße Wachträume
hat — okay, dann war es einer von den neunundneunzig Fehlschlägen, und wir
haben Pech gehabt. Nachzuweisen ist nichts, der Kram verschwindet spurlos aus
dem Organismus. Auch in den Überresten findet ihn kein Gerichtsmediziner der
Welt. Denn schon zweihundertfünfzig Mikrogramm genügen für einen Bombenwahnsinn
auf Zeit. Ich hab’ damals hundert genommen, das war genug, um mich wie der
heilige Johannes nach der Enthauptung zu fühlen. Und wenn es gelingt, Daddylein
fünfhundert Mikro einzuverleiben, dann wäre es möglich, daß er zum Astronauten
wird. Glenn und Gagarin in einer Person.«
Tessa holte neuen Whisky, ein
Zeichen, daß meine Erläuteringen sie interessierten. Ich fuhr fort damit: »Die
Aussicht auf Erfolg ist klein. Aber unser Risiko auch. Kein Schwein kommt
dahinter, was los war, wenn er sich ein bißchen eigenartig benommen hat.«
»Wie denkst du dir es
praktisch?«
»Teamwork. Ich besorge das
Heilmittel. Du gehst zu Papa zum Tee. Mich würde Richardson schon an der
Gartenpforte mit der neunschwänzigen Katze bekämpfen. Gehst du hin und wieder
zum Tee zu ihm?«
»Manchmal. Selten.«
»Die Seltenheit mußt du arrangieren.
Am besten eine Aussprache meinetwegen. Leiste Abbitte. Rauf dir reumütig das
Haar. Und dann mußt du es auf irgendeine Weise schaffen, den Tee zu bereiten.
Ist das schon vorgekommen?«
»Auch selten.«
»Es ist die Hauptsache. Das LSD
kommt auf Löschpapier in den Schwarzhandel. Eingesogen. Ein paar Blättchen
gibst du mit in die Kanne beim Aufguß. Müssen auch ein bißchen ziehen.
Hinterher pickst du sie fein säuberlich wieder heraus. Das ist alles.«
»Nicht gerade einfach.«
»Erschießen wäre schwerer und lauter.«
»Aber ich trinke aus derselben
Kanne!«
»Ja. Da haben wir mehrere
Möglichkeiten. Entweder es gelingt dir, zwei Kannen zu machen. Eine mit und
eine ohne.«
»Ist nie passiert.«
»Well. Oder du hast keinen
Appetit auf Tee und trinkst Whisky.«
»Zur Teezeit hat man Appetit
auf Tee und nicht auf Whisky. Außerdem wäre es sofort verdächtig.«
»Richtig. Es ist viel besser,
wenn du auch die arme Vergiftete mimst. Bleibt nur eins. Nimmst du Zucker?«
»Ja.«
»Papa?«
»Der nicht. Das deutsche
Erbteil.«
»Ungeheuer günstig. Die
Calhoun?«
»Weiß ich nicht. Die wird
britisch trinken. Weiß und süß.«
»Das läßt sich nicht ändern.
Zucker hemmt komischerweise die Wirkung von LSD. Nicht ganz, aber die
Intensität wird herabgesetzt. Du trinkst nur eine Tasse und schaufelst dir
unauffällig ein Viertelpfund Zucker hinein. Wird schmecken wie Kunsthonig. Läßt
die anderen ihre drei Tassen trinken, hast dann plötzlich noch was zu erledigen
und entschwindest unter Segenswünschen.«
Sehr begeistert sah Tessa nicht
aus. »Ach. Und
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