4 Meister-Psychos
würde. Noch war alles offen.
Vielleicht kam es so, daß Tessa und ich von Richardson zur Tür geleitet wurden.
»Ich habe die Ehre, Ihnen alles Gute zu wünschen.« Oder er tat das mit der
Calhoun, und wir winkten oben aus dem Fenster.
Am Tag der Testamentseröffnung
war Tessa leicht nervös. Ich tat so, als wäre ich es nicht.
»Paul — wenn er mich wirklich
enterbt hat?«
»Gutes Kind. Ganz kann er gar
nicht. Ich weiß nicht, wie das mit dem englischen Erbrecht ist und ob es in
diesem Fall überhaupt gilt. Ich bin recht sicher, daß er noch kein neues
Testament gemacht hat. Hat er eins, ist es alt. Hat er gar keins, ist sowieso
alles okay. Er wollte Mrs. Calhoun heiraten, damit wäre der Fall weitgehend
geklärt gewesen. Er konnte nicht wissen, daß er so schnell unter die Marmorplatte
geraten würde.«
»Am liebsten ginge ich gar
nicht hin.«
Als Tessa fort war, machte ich
mich über den Whisky her.
XI
Viele Küsse auf mein Gesicht
machten mich wach.
Meine Lippen klebten an den
Zähnen, und der Kopf tat weh. Tessa strahlte wie ein Christbaum. Und neuen
Whisky hatte sie auch mit. Ich stützte mich auf die Ellenbogen und blinzelte.
»Meine Tochter, was bist du so gerötigt? Hat man dich etwa zuchtgenötigt? Du
siehst fast aus, als wärst du eine gute Partie geworden. Wo bleibt der Schmerz
um den Verblichenen?«
Tessa kam mit vollen Gläsern
aus der Küche zurück. »Du bist noch ganz betrunken. Cheers, Herr Millionär.«
»Ist das das richtige
Gegengift? Was würde ein Mann von der Courths-Mahler an meiner Stelle sagen?
›Nicht einen Penny rühre ich an von deinem schnöden Gelde, Elende! Käuflich ist
ein von Trottenholm nicht!‹ Wie war es denn?«
»Auch wie im Roman. Zwei
Anwälte. Schwarz wie die Todesvögel. Ganz ernst.«
»Sehr verständlich. So viel
Geld verteilen die nicht jeden Tag.«
»Ein Schreiber mit den
Bewegungen eines Ritters vom Hosenbandorden. Tante Betty war gekommen aus
Mannheim. Der ist sonst alles zuviel. Ihre Brillanten hatte sie nicht
angesteckt, um etwas arm auszusehen. Und die verhinderte Mrs. Strong-Waldau,
geschiedene Calhoun. Mein Alptraum im Velvetkostüm. Der Schleier war noch
derselbe. Richardson mußte draußen warten. Und dann ging’s los. Sie stellten
feierlich fest, wer wir sind. Ich mach’s kurz, wenn du gestattest. Das
Testament war zwölf Jahre alt. Hat er nach Muttis Tod gemacht. Alles zu
gleichen Teilen an die Kinder. An das Kind nunmehr. Tante Betty kriegt was von
Muttis Schmuck, weil sie doch so gar keinen hat. Ist mir egal. Soll sie. Und im
Falle, daß Papa was zustoßen sollte, hat er vor zwei Jahren einen Zusatz
gemacht. Das war, als er die Calhoun kennenlernte, da war die Liebe wohl noch
nicht so groß. Sie darf im Haus wohnen, bis sie eine andere Wohnung hat. Und
hundert Pfund im Monat. Höchstfrist zwei Jahre. Richardson darf bleiben, wenn
er will. Auch zwei Jahre. Dann ist das Versorgungsamt geschlossen.«
»Tief bedauerlich. Richardson
würde ich gern behalten. Nie im Leben einen Butler gehabt. Und sonst?«
»Und kein Sonst weiter. Der
schäbige Rest gehört mir. Und dir.«
»Das kann ich doch gar nicht
annehmen.« Ich kam auf die Füße und erhob das Glas. »Ich habe das Gefühl, daß
wir verpflichtet sind, auf deinen alten, toten Herrn einen Achtungsschluck zu
nehmen. Sehr zum Segen!«
Tessa trank auf einen Zug aus.
Sie umarmte mich und ich hielt sie fest. »Paul«, flüsterte sie an meiner
Schulter, »es ist alles in Ordnung. Wir sind allein und niemand steht uns im
Weg.«
»Es ist alles in Ordnung«,
sagte ich.
»Wir haben es geschafft.«
»Es sieht so aus.«
»Und die Calhoun sah aus!
Nachbarin, euer Fläschchen! Ich hab’ geredet mit ihr hinterher. Ganz
katzenfreundlich. Selbstverständlich könnte sie wohnen bleiben. Ich brauchte
das Haus nicht. Und Richardson habe ich gesagt, er müßte unbedingt aushalten,
solange Mrs. Calhoun da sei. Könnte sie doch nicht allein lassen. Und was
sollte aus dem Haus werden? Niemand könnte es so wie er. Dann gingen sie fort
wie ein geschlagenes Heer. Ich mußte einen Haufen Zeug unterschreiben bei den
Anwälten. Die Konten werden auf mich übertragen. Sagenhaft, wo Papa überall
Konten hat. Das Haus gehört mir und das Landhaus bei Henely. Und der Bentley
und der Aston. Und dieser Aktienkram. Mir wurde schwindlig. Habe keine Ahnung
von so was. Die Anwälte machen alles. Die sind nett.«
»Entsprechend fällt die
Rechnung aus.«
»Wenn schon.« Tessa klatschte
die Hände zusammen. »Was
Weitere Kostenlose Bücher