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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Wunder. Man wird
ganz depressiv.«
    Die Trennscheibe war oben, der
Chauffeur konnte nichts hören und wollte bestimmt nicht, auch wenn er gekonnt
hätte. Wir rollten durch Mayfair. Die meisten Fenster des Hauses am Berkeley
Square waren erleuchtet. Auch die Halle war hell. Ich zahlte. Tessa läutete,
und dann erschien Richardson schwarz und ernst wie ein Rabe im Tower.
    Er brachte gemessen sein
Beileid an. Tessa dankte mit trauriger Grazie. Ich faßte alle Kümmernis in
meiner Miene zusammen, als ich Richardson zunickte. Er machte keine Anstalten,
mich hinauszuwerfen. Vermutlich dachte er über seine nächste Stellung nach.
    Polizei war da, ein Arzt, ein
Geistlicher. Mr. Strong-Waldau hatte sich in seinem Arbeitszimmer erschossen,
und dort hatten sie ihn auf die Couch gelegt. Der Pfarrer sprach mit Tessa. Ich
stellte mich dem Doktor vor. Strong hatte eine Sportpistole benutzt, Kaliber
zweiundzwanzig kurz, eine lächerliche Erbse von Geschoß, aber es hatte
ausgereicht. Herz. Einschuß genau über dem Brustbein. Nicht zu weit links, wie
es die meisten Dilettanten machen, die immer noch meinen, das Herz liege links
außen. Mußte sofort tot gewesen sein.
    Tessa ging hinein an der Seite
des Pfarrers. Sie blieb einige Minuten. Dann kam sie zurück, gesenkten Hauptes,
zog mich an der Hand mit. Ich stand zwei Meter vor der ledernen Couch. Der alte
Strong sah ganz zufrieden aus, fast fröhlich. Das LSD mußte ihm große Freude
bereitet haben, bevor er sich die Knallröhre an die Brust gesetzt hatte.
    Wir gingen hinaus. An der Tür
bemerkte ich das aufgebrochene Schloß. Richardson hatte Überstunden machen
müssen. Wir gingen vor zum Salon. Dort nahm der Polizeiinspektor Tessa behutsam
und zartfühlend in die Mache. Der Pfarrer und der Doktor blieben dabei. Ich
hörte zu und brauchte nichts zu sagen.
    Tessa hatte ihre Geschichte
schnell erzählt. Sie konnte sich nichts erklären. Sie hatte Tee getrunken am
Nachmittag, danach einen Whisky. Vater war aufgeräumt und nett gewesen, als sie
ihn verlassen hatte. Und nun das.
    »Sie können sich keinerlei
Motiv vorstellen, Miß Strong?«
    »Nein. Nein. Überhaupt keins.
Vater war in Ordnung. Er wollte wieder heiraten... Ich weiß nicht, ob Sie schon
mit Mrs. Calhoun...«
    »Ja, ich habe.«
    Aha. Dann mußte er auch wissen,
worüber am Nachmittag geredet worden war.
    »Nun, dann werden Sie es ja
wissen.« Tessa mimte die Nachdenkliche. »Allenfalls...« Sie zögerte.
    »Was allenfalls, Miß Strong?«
    »Meine Geschwister sind vor
kurzer Zeit gestorben. Meine Schwester ist umgebracht worden in München — und
mein Bruder — da ist es nicht sicher... Aber Scotland Yard weiß darüber
Bescheid. Sie können es dort erfahren. Es sah so aus, als wäre mein Vater
darüber hinweg, aber vielleicht war er es nicht — und hat sich deswegen...«
    Sie stockte. Genau an der
richtigen Stelle. Der Inspektor kritzelte etwas in ein Heft mit billigem
Plastikeinband. Er sah nicht gerade aus wie Philip Marlowe, aber für diesen
klassischen Selbstmord brauchte man auch keinen.
    »Ich will Sie nicht lange
belästigen, Miß Strong. Wenn Sie mir nur noch sagen können — worüber sprachen
Sie heute nachmittag mit Ihrem Vater?«
    Ich sah Tessa an und senkte
mein Kinn zweimal um eine Kleinigkeit.
    »Wir — wir sprachen über Mister
Holland. Über unsere Heirat. Mein Vater war dagegen. Er machte mir seinen
Standpunkt noch einmal klar.«
    »Was sagten Sie darauf?«
    »Ich wollte ihn nicht reizen.
Ich sagte, er hätte sicher recht.«
    »Sie waren nicht dieser
Überzeugung?«
    »Nein. Wir hätten auch ohne
seine Einwilligung geheiratet — Mister Holland und ich.«
    »So? Wäre es denkbar, daß Ihr
Vater diese Absicht durchschaut und deswegen den unseligen Schritt getan hat?«
    Das war nicht auf seinem Mist
gewachsen. Das war unsere liebe Freundin Calhoun. Tessa hatte es genausoschnell
kapiert wie ich. Sie sprach mit runden, verblüfften Augen.
    »Das glaube ich nicht.
Ausgeschlossen. Er hat gedroht, mich zu enterben und sich von mir loszusagen,
wenn ich Paul — wenn ich Mister Holland heiraten würde. Aber daß er deswegen...
Nein, dazu war er viel zu — viel zu vital und zu stark. Es muß etwas anderes
gewesen sein.«
    Klar, dachte ich. Es war was anderes.
Nie kommen sie dahinter. Niemals. Dieser Selbstmord ist die Krone der
Geschichte.
    »Sie meinen«, sagte der
Inspektor behutsam, »der Tod Ihres Herrn Vaters spricht eher dafür, daß er Sie
nicht enterbt hat?«
    Tessa hatte eine Sternstunde.
Sie

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