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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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schaltete wie ein Relais. »Ich weiß es nicht, Inspektor. Keine Ahnung. Er
kann es trotzdem getan haben, es wird sich bald herausstellen. Ich hoffe nur,
daß er die arme Mrs. Calhoun ausreichend versorgt hat.«
    Der Inspektor schwieg. Es war
ihm nicht anzusehen, ob er die gigantische Frechheit erkannt hatte, aber ich
glaubte es nicht. Wie zur Strafe für meine Gedanken drehte er sich zu mir. »Sie
wissen nichts, was uns weiterhelfen könnte?«
    »Ich fürchte, nein, Inspektor.
Ich muß alles bestätigen, was Miß Strong gesagt hat. Ich war vorgestern hier
und bat Mister Strong um Miß Tessas Hand. Er hat mich hinausgeworfen — pardon —
, hinauswerfen lassen.«
    Der Inspektor fixierte mich ein
paar Sekunden. Möglicherweise dachte er darüber nach, was er mit mir tun würde,
wenn ich um die Hand seiner Tochter anhielte. Dann erhob er sich zu amtlicher
Größe. »Ich danke Ihnen sehr für Ihre Unterstützung, Miß Strong. Ich glaube,
daß, was uns betrifft, keine Unklarheiten über dieses tragische Ereignis
bestehen. Ich darf Ihnen mein Mitgefühl ausdrücken. Gute Nacht, Miß Strong.
Gute Nacht, meine Herren.«
    Tessa rief mit heller Stimme:
»Richardson! Bringen Sie den Inspektor hinaus!«
    Richardson erschien an der Tür.
Nichts von Auflehnung war in seinem Gesicht. »Jawohl, Miß Tessa.«
    Jawohl, Miß Tessa. Zum
Totlachen.
    »Sie sind sehr tapfer, mein
Kind«, sagte der Reverend, »sehr tapfer, wie ich mich freue, sagen zu können.«
    Die nächste halbe Stunde
besprachen wir mit ihm und dem Doktor Formalitäten der Leichenschau und des
Begräbnisses. Sie versicherten, der armen Tessa in jeder Weise behilflich zu
sein. Dann verließen sie uns. Tessa rief Richardson.
    »Wo ist Mrs. Calhoun?«
    »Auf ihrem Zimmer, Miß Tessa.
Sie ist völlig zusammengebrochen, wenn ich das bemerken darf.«
    »Kann ich mir denken«, sagte
Tessa trocken. »Die Ärmste. Wir wollen sie nicht stören. Hoffentlich nimmt sie
es nicht zu sehr mit, die Nacht unter einem Dach mit einem Toten verbringen zu
müssen. Kümmern Sie sich um sie, Mister Richardson. Ich komme morgen wieder.«
    Richardson brachte uns
mäuschenstill zur Tür und schloß sie hinter uns. Wir gingen langsam die
Berkeley Street hinunter in Richtung auf Piccadilly. Spärliche Regentropfen
fielen noch, wie Weihwasser aus einem Wedel. Tessa hängte sich ein und preßte
meinen Arm.
    »Bist du traurig?« fragte ich.
    »Nein.«
    »Reue?«
    »Auch nicht.«
    »Wir sind immerhin schuld an
seinem Tod.«
    »Das ertrage ich.«
    »Gut. Schließlich sind wir es
nur indirekt. London ist voll von Leuten, die das Zeug schlucken und nicht anschließend
vor Gottes Thron marschieren. Ein reiner Zufall, daß seine Absichten gerade in
die Richtung gingen. Er hätte ebensogut am Leben bleiben können. Warum hat er
auch so viele Schießeisen im Haus?«
    »Paul?«
    »Ja.«
    »Bleibst du immer bei mir?«
    »Ich bleibe immer bei dir. Bis
du mich feuerst. Wie Richardson.«
    »Nicht mal den feuere ich, wenn
er nicht selbst kündigt.«
    »Das ist vernünftig. Ich trage
ihm nichts nach. Er hat mich sehr rücksichtsvoll rausgeworfen.«
    »Paul?«
    »Ja. Ich höre immer noch.«
    »Wenn er mich schon enterbt
hat? Bleibst du dann auch bei mir?«
    »Jawohl, Miß Kirchenmaus. Es
ist das Dümmste von der Welt, bei einem armen Mädchen zu bleiben, aber...«
    »Aber was?«
    »Aber es kommt fatalerweise
hinzu, daß ich dich etwas liebe. Etwas sehr. Ich hab’ immer gedacht, ich bin
frei von derartigen sentimentalen Residuen. Weit gefehlt.«
    »Schlimm?«
    »Fürchterlich.«
    Ich blieb stehen und küßte
Tessa. Unsere Gesichter waren feucht, wie von Tau überzogen. In Piccadilly
fanden wir ein Taxi.
     
     
    Ich verbrachte die nächsten Tage
vorwiegend in Taxis. Tessa mußte hierhin und dorthin und überallhin. Sie sah
mehr Behörden von innen als jemals vorher. Die amtliche Leichenschau verlief
komplikationslos.
    Tod von eigener Hand.
    Niemand erzählte was von LSD.
    Zum Begräbnis kamen die Leute
in Regimentsstärke. Es war eine einzige Strapaze, aber Tessa hielt wacker durch.
Sie wurde mit Anteilnahme überschüttet wie das arme Mädchen mit den
Sterntalern. Ich erntete viele Blicke, meistens mißbilligende. Ich nahm es mir
sehr zu Herzen. Mrs. Calhoun war tief verschleiert. Sie wurde gestützt von
Richardson. Vielleicht würde ihr nichts anderes übrigbleiben, als um dessen
Hand anzuhalten. Was für ein Abstieg. Es war recht spannend zu überlegen, wer
wen aus dem Haus am Berkeley Square hinauswerfen

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